Der Ramadan ist in vollem Gange, Pessach steht vor der Tür – und die Sicherheitskräfte in Israel sind in höchster Alarmbereitschaft. Blutige Anschläge erschüttern Israel. Innerhalb einer Woche wurden in Beer Sheva, Hadera und Bnei Brak elf Menschen getötet und Dutzende verletzt. Die meisten Opfer waren Mütter und Väter. Es war die schlimmste Terrorwelle seit Jahren, und die Angst geht um, dass sie nicht vorbei ist.
Premierminister Naftali Bennett erklärte, man trete in eine Phase »wachsamer Routine« ein, während die Sicherheitskräfte daran arbeiten, weitere Terroranschläge zu verhindern. »Terroristen haben alle möglichen Ideen, also sind wir, sowohl der Inlandsgeheimdienst Schin Bet als auch die Polizei, in höchster Alarmbereitschaft, um jeden Hinweis oder Angriffsplan zu erkennen und im Voraus zu vereiteln.«
Ramadan Die Eskalation begann kurz vor dem muslimischen heiligen Monat Ramadan, der oft eine Zeit starker Spannungen in Israel und im Westjordanland mit sich bringt. Jerusalem verstärkte daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen und stationierte zusätzliche Kräfte im Westjordanland, an der Grenze zum Gazastreifen und in Großstädten.
Israel sieht sich derzeit vor allem der Problematik ausgesetzt, gegen den Terrorismus an drei Fronten gleichzeitig kämpfen zu müssen.
Stabschef Aviv Kohavi bestätigte dies zu Beginn der Woche. Bei einem Treffen mit Offizieren teilte er mit, dass sich das Militär darauf vorbereiten soll, einen Monat oder länger in erhöhter Alarmbereitschaft zu sein. Man müsse eventuell sogar auf eine zweite Operation »Wächter der Mauern« gefasst sein. Im Mai des vergangenen Jahres hatte es dabei zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas elf Tage lang Kämpfe gegeben, die gewalttätige Ausschreitungen mit mehreren Toten in ethnisch gemischten israelischen Städten nach sich zogen.
Israel sieht sich derzeit vor allem der Problematik ausgesetzt, gegen den Terrorismus an drei Fronten gleichzeitig kämpfen zu müssen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Landesgrenzen. Die Terroristen stammten aus verschiedenen Gemeinschaften: Der Täter in Beer Sheva war ein Beduine, ehemaliger Lehrer und mutmaßlicher Anhänger der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS).
ideologie Die Terroristen, die die beiden jungen Grenzpolizisten in Hadera erschossen, waren israelische Araber aus der Stadt Um-Al-Fachem im Kernland, nicht weit von Zichron Yaakov entfernt. Auch sie hätten sich der radikal-islamistischen Ideologie des IS angeschlossen, so die Sicherheitskräfte. In Bnei Brak töteten zwei Palästinenser aus dem Westjordanland wahllos Unschuldige auf der Straße.
Viel mehr als bei früheren Anschlagsserien sind die Attentäter heute meist sogenannte »einsame Wölfe«, die völlig oder hauptsächlich allein agieren. Maximal handelt es sich um eine kleine Zelle, die sich für einen Anschlag zusammengetan hat. Oft haben die Täter keine eindeutige Zugehörigkeit zu einer Gruppierung. Das macht es sowohl für die Behörden als auch für die Armee schwer oder nahezu unmöglich, Terroristen vor einem Anschlag zu stoppen.
Die Eskalation begann kurz vor dem Ramadan.
Das Verbreiten von Anschlagsvideos gilt als Anstachelung für mögliche Nachahmungstäter und soll aus diesem Grund durch eine neue Gesetzgebung verhindert werden. Angedacht ist ein ähnliches Gesetz wie ein existierendes, das das Posten von Inhalten im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch verbietet.
Massive Truppenaufgebote der IDF in den Palästinensergebieten, wie man es während der beiden Intifadas praktizierte, will man heutzutage aus verschiedenen Gründen ungern einsetzen.
einzeltäter Erstens beschwört die erhöhte Präsenz israelischer Soldaten, vor allem in sensiblen Phasen wie dem Ramadan, nicht selten weitere Gewalt herauf. Zudem handelt es sich bei Einzeltätern auch um israelische Staatsbürger, die innerhalb der Grünen Linie leben.
Nicht jeder potenzielle Verdächtige kann rund um die Uhr über Jahre hinweg überwacht werden. Stattdessen will man auf Deeskalation und Vorbeugung setzen. Experten aus dem Sicherheitsestablishment sind überzeugt, dass bei der Deeskalation auch die Verurteilung der Anschläge auf israelische Zivilisten durch arabische Politiker geholfen haben, unter anderem durch Jordaniens König Abdullah II. und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der sich nach dem Attentat in Bnei Brak zu Wort meldete.
Das Verteidigungsministerium in Jerusalem schätzt, dass sich etwa 200 israelische Araber mit dem IS identifizieren, von denen man vermutet, dass sie 20 Anschläge verüben könnten. IDF-Vertreter informierten die Regierung über groß angelegte geheimdienstliche Bemühungen, unter anderem das Überwachen sozialer Medien, um Verdächtige zu identifizieren. Bislang erhielten sechs israelische Araber Anordnungen, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Bei anderen warten die Behörden auf die gerichtliche Genehmigung.
Es wird zudem erwartet, dass die Maßnahmen zur Verhinderung von Terroranschlägen mit der Ausweitung von Polizeiaktionen gegen kriminelle Familien und mit der Beschlagnahmung Tausender illegaler Waffen in arabischen Gemeinden kombiniert werden. Die Polizei benötigt dafür zusätzliche Mittel und Arbeitskräfte, und die Regierung kommt dem als Antwort auf den jüngsten Terror nun nach.
Notfallbudget Bennett kündigte bereits an, dass er der Polizei ein Notfallbudget in Höhe von rund 50 Millionen Euro zuteilt. Mit den Mitteln sollen eine Reserve-Grenzpolizeikompanie geschaffen und 200 neue Unteroffiziere eingestellt werden. Außerdem sollen 6500 schusssichere Westen, 4000 Helme und 40 Motorräder mit Ausrüstung gekauft werden.
»Viele Jahre lang wurde die israelische Polizei vernachlässigt.«
Naftali Bennett
»Viele Jahre lang wurde die israelische Polizei vernachlässigt«, sagte der Regierungschef. »Wir beheben dies und stellen sofort erhebliche Ressourcen bereit, um die übergeordnete Mission zu erfüllen – den Schutz der öffentlichen Sicherheit. Eine starke Polizei entspricht einem starken Staat Israel. Dies ist die Gleichung, und diese wenden wir an. Wir befinden uns inmitten einer Welle des Terrors, die sich gegen die Bürger Israels richtet, und arbeiten mit allen Mitteln daran, Sicherheit und Sicherheitsgefühl wiederherzustellen. Das ist unsere Pflicht.«
Eine Politikerin, die dem Terror und Hass auf unkonventionellem Weg vorbeugen will, ist die Verkehrsministerin und Vorsitzende der Arbeitspartei, Merav Michaeli. Anfang der Woche sagte sie: »Ich bin von einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückgekehrt und fand dort großartige Partner für die Vision eines besseren Lebens; für Wohlstand in der gesamten Region.« Ein bedeutendes Projekt, über das gesprochen wurde, sei der »Friedenszug«.
Einen Partner für die Idee findet Michaeli nach eigenen Angaben im Management der israelischen Bahn. Man habe bereits konkrete Schritte überlegt, »damit bald ein Zug den Hafen von Haifa verlässt, den Hafen von Dubai erreicht und allen Menschen in dieser Gegend Wohlstand, Erfolg und Frieden bringt«.