Sie ist wieder aufgetaucht. Nach »dramatischen neuen Entwicklungen«, wie der Fernsehkanal 13 vor einigen Tagen wissen ließ, ist die Affäre um den Kauf der drei U-Boote und vier bewaffneten Marineschiffe zum Schutz der Gasplattformen aus Deutschland an die israelische Marine erneut in den Schlagzeilen.
Der Fall ist kompliziert. Vorrangig geht es um den Deal für Wasserfahrzeuge von ThyssenKrupp. Der ist rund zwei Milliarden Euro wert. Doch dahinter steckt mehr als nur Geld: Staatsgeheimnisse, vermeintliche Vetternwirtschaft, Bestechung, Insiderwissen – und jede Menge Politik. »Das ist der größte Korruptionsskandal in Israels Geschichte«, twitterte Benny Gantz von der Union Blau-Weiß nach der Ausstrahlung des Beitrags und forderte die Einrichtung einer offiziellen Untersuchungskommission, um gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu ermitteln.
KONTROVERSE Dabei war der selbst nie Verdächtiger in der Affäre. Allerdings viele seiner engsten Vertrauten. Im November 2018 hatte die Polizei schließlich ausreichend Beweise zusammengetragen, um gegen sechs Personen Anklage zu erheben. Darunter David Schimron, Netanjahus Cousin, Vertrauter und Anwalt. Die Kontroverse um den Kauf war entstanden, als herauskam, dass Schimron sowohl für den Premier als auch für Michael Ganor, den Vertreter von ThyssenKrupps Marinesparte in Israel, arbeitete.
Benny Gantz forderte die Einrichtung einer offiziellen Untersuchungskommission.
Netanjahu habe den Deal mit den Deutschen angeblich auf Anraten Schimrons – und gegen den Willen der Militärs – durchgedrückt. Der damalige Verteidigungsminister Mosche Yaalon hatte argumentiert, dass Israel maximal zwei U-Boote brauche. Angeblich habe Schimron Druck ausgeübt, um die U-Boote von ThyssenKrupp zu erwerben und eine internationale Ausschreibung für andere Schiffe zurückzuziehen. Der Regierungschef beteuerte, nichts von Schimrons Verbindung zu dem ThyssenKrupp-Mann gewusst zu haben. Der Anwalt erklärte, keinesfalls in Ganors Auftrag mit israelischen Behörden verhandelt zu haben.
VORWURF Doch der jüngste Vorwurf richtet sich gegen Netanjahu direkt. Der Journalist Raviv Drucker berichtet, dass sich der Premier durch den Verkauf von hochentwickelten deutschen U-Booten an Ägypten bereichert habe. Amos Gilad, pensionierter Armeegeneral und ehemaliger Leiter der diplomatischen Sicherheitsabteilung im Verteidigungsministerium, habe der Polizei gesagt, dass Netanjahu Berlin sein Einverständnis für den Verkauf der U-Boote an Ägypten gegeben habe.
Gilad habe Bedenken gehabt und daraufhin Christoph Heusgen, den damaligen Berater der Bundeskanzlerin, kontaktiert. Dieser habe bestätigt, dass es der Ministerpräsident persönlich war, der seine Zustimmung zu dem Deal gegeben hatte. Obwohl Deutschland Israel nicht offiziell um Erlaubnis fragen muss, wollte die deutsche Regierung ob der besonderen Beziehungen dies vorab dennoch tun. Das berichtet die Tageszeitung »Haaretz«. Netanjahu hatte bis dato immer abgestritten, dass ihn Berlin gefragt und er seine Zustimmung zu dem Deal gegeben habe.
Auch die deutsche Justiz beschäftigt sich mit dem Fall.
Wie das »Handelsblatt« berichtet, beschäftigt der Fall nun offenbar auch die deutsche Justiz. Die Staatsanwaltschaft Bochum, spezialisiert auf Korruptionsfälle in der Wirtschaft, habe Ermittlungen eingeleitet. Die israelischen Ermittlungsbehörden hätten bei ihren deutschen Kollegen um Hilfe gebeten, um herauszufinden, ob und in welcher Höhe Bestechungsgelder geflossen sind. In einer weiteren Wende in dem Fall zog nun der Kronzeuge Michael Ganor seine Aussage zurück.
Anders als in seiner ursprünglichen Fassung beteuerte er, niemals irgendjemanden bestochen und nur auf Druck der Ermittler gestanden zu haben. Allerdings betonte die Staatsanwaltschaft, dass Ganors Rückzug keinen wesentlichen Einfluss auf die Untersuchungen haben werde, denn seine Aussage sei durch andere Beweise gestützt. Dass der Rückzug etwas mit den neuesten Vorwürfen gegen Netanjahu zu tun hätte, stritt Ganor ab.
AKTIEN Hinter der Zusage an Berlin, so der Fernsehbericht, stecke letztendlich doch Geld. Netanjahu habe Aktien an der Stahlfirma GrafTech International Ltd. (vorher Seadrift Coke L.P.) gehalten, in deren Management Nathan Milikowsky, ein weiterer Cousin Netanjahus, saß. GrafTech lieferte an den U-Boot-Hersteller ThyssenKrupp Stahl. Anschließend verkaufte Netanjahu seine Aktien. Gantz beschuldigt den Premier nun, 16 Millionen Schekel (etwa vier Millionen Euro) aus dem Deal gezogen und dieses Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben.
»Netanjahu, gegen den bereits drei Anklagen wegen Korruption vorliegen und der zweifelhafte Deals machte, hat auf Kosten von Israels Sicherheit persönlich Profite gemacht. Es tut mir leid, dass er vom rechten Weg abgekommen ist«, schrieb Gantz. Kurz darauf stellte sich Netanjahu den Anschuldigungen in einem Live-Interview im Fernsehkanal 12. Er wolle Gantz’ Verleumdung hochgehen lassen, gab er sich kämpferisch, räumte dann jedoch ein, tatsächlich seine Zustimmung zum Verkauf deutscher U-Boote an Ägypten gegeben zu haben, ohne jemandem davon zu erzählen.
Der Verkauf der Wertpapiere habe nichts mit dem U-Boot-Deal zu tun gehabt.
Als Grund für sein Schweigen gab er »Gründe der Staatssicherheit« an. Der Verteidigungsminister habe das nicht wissen müssen. »Es gibt Geheimnisse, die nur der Premierminister und eine Handvoll Leute kennen«, sagte Netanjahu verschwörerisch. An dem U-Boot-Deal habe er allerdings nicht einen Schekel verdient. Zuvor hatte er stets betont, die Aktien als ganz normaler Staatsbürger gekauft zu haben. Später jedoch gab er zu, beim Kauf bereits Knessetabgeordneter gewesen zu sein. Der Verkauf der Wertpapiere habe nichts mit dem U-Boot-Deal zu tun gehabt, denn der sei eineinhalb Jahre zuvor geschehen. Er war damals bereits Ministerpräsident.
BLAU-WEISS In einem Großteil des Interviews widmete sich Netanjahu den Führungsmitgliedern der Union Blau-Weiß, Benny Gantz, Yair Lapid, Mosche (Bogie) Yaalon und Gaby Aschkenazi, die ihn der Korruption in der U-Boot-Affäre bezichtigen. Er wolle die vier wegen Verleumdung anzeigen.
Blau-Weiß bezeichnete den Regierungschef anschließend als »hysterisch«. »Er ändert seine Version der Geschehnisse jedes Mal aufs Neue, weicht schwierigen Fragen aus und verunglimpft andere. Wir haben keine Antwort auf seinen 16-Millionen-Schekel-Profit bekommen«, lautete eine Blau-Weiß-Stellungnahme. Das Einzige, das zu seiner Verteidigung gesagt werden könne, hieß es weiter, »ist die Tatsache, dass er offenbar verstanden hat, was andere schon lange wissen: Er wird die Wahlen verlieren.«