Jerusalem

Abschied von Ariel Scharon

Israelische Generäle salutieren vor dem Sarg von Ariel Scharon. Foto: Flash 90

Als sein Sohn Gilad vor die Mikrofone im Scheba-Krankenhaus trat, war klar, was er verkünden würde. »Das war es. Er ist gegangen«, sagte er sichtlich bewegt. »Und er hat entschieden, wann er gehen wollte.« Es war Samstag gegen 14 Uhr, als Israels einstiger Premierminister, Ariel »Arik« Scharon, diese Welt nach acht Jahren im Koma für immer verließ.

In den vergangenen Wochen hatte sich Scharons Gesundheitszustand rapide verschlechtert: Ein Nierenversagen zog eine Blutvergiftung und schließlich das multiple Versagen mehrerer Organe nach sich. Die Beerdigung wird dort stattfinden, wo er sich am liebsten aufgehalten hat: auf seiner Farm »Sycamore« in der Negevwüste. Scharon wird neben seiner zweiten Frau Lily begraben werden, die im Jahr 2000 einem Krebsleiden erlegen war.

Staatsbegräbnis Zuvor kann sich die Öffentlichkeit von der Ikone in Israels Geschichte verabschieden. Am Sonntag war sein Sarg vor der Knesset aufgestellt. Tausende Menschen aus dem ganzen Land pilgerten nach Jerusalem. »Jeder, der nicht aus diesem Grund in die Stadt muss, sollte sie meiden«, rief die Polizei auf, um Massenstaus zu vermeiden.

Zur heutigen Trauerzeremonie in der Knesset sind zahlreiche ausländische Gäste angereist, darunter US-Vizepräsident Joe Biden, der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie der Nahost-Gesandte Tony Blair und der russische Parlamentspräsident Sergey Naryschkin. Biden würdigte Ariel Scharon als außergewöhnlich starke Persönlichkeit. Die Sicherheit des Staates Israel und des jüdischen Volkes seien der Stern gewesen, der ihm den Weg gewiesen habe, sagte Biden. Der von Scharon 2005 durchgesetzte Abzug aus dem Gazastreifen sei eine »schwere und umstrittene Entscheidung« gewesen.

Sicherheitsvorkehrungen Staatspräsident Schimon Peres hatte bereits unmittelbar nach dem Tod seines politischen Weggefährten erklärt: »Arik war ein mutiger Soldat und ein waghalsiger Anführer, der seine Nation liebte – und die ihn wiederliebte«. Er nannte den 85-Jährigen »einen lieben Freund, der seine letzte Schlacht verloren hat«.

Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte, dass das gesamte Land Scharons Tod betrauere. »Er hat eine entscheidende Rolle für unsere Sicherheit geleistet und war einer der mutigsten Soldaten, die Israel gekannt hat.« Sogar die linksgerichtete Tageszeitung Haaretz bescheinigte ihm: »Trotz all seiner Fehler wird Israel ärmer sein ohne Anführer wie Ariel Scharon«.

Am Nachmittag wird Scharon mit militärischen Ehren auf seiner Farm beigesetzt. Das Begräbnis findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Israels Armee ist auf die Möglichkeit vorbereitet, dass militante Palästinenser versuchen könnten, während der Zeremonie Raketen auf Israel abzufeuern.

Mitgefühl Bereits während der Schabbatruhe waren am Samstag die Beileidsbekundungen aus aller Welt in Israel eingegangen. US-Präsident Barack Obama erklärte im Namen des amerikanischen Volkes der Familie und allen Israelis sein tiefstes Mitgefühl. »Es ist der Verlust eines Staatsmannes, der sich sein ganzes Leben lang für den Staat Israel eingesetzt hat.« Auch Kanzlerin Angela Merkel machte deutlich, dass sie mit den Israelis trauere. »Mit seiner mutigen Entscheidung, des Abzuges der jüdischen Siedler aus dem Gazastreifen, ist er einen historischen Schritt in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern gegangen«, sagte sie.

Freude über den Tod herrschte indes in vielen arabischen Staaten. In den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Libanon verbrannten die Menschen Scharons Porträt und hielten mit ihren Fingern das Siegeszeichen in die Höhe. Der PLO-Mann Mustafa Bargouti sagte, dass man sich zwar über den Tod nicht freuen solle, doch die Palästinenser an Scharon keine guten Erinnerungen hätten.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, indes zollte dem Verstorbenen seinen Respekt: »Ariel Scharon war ein Held für sein Volk. Erst ein Soldat, dann ein Staatsmann«. Und der britische Premier David Cameron erinnerte daran, dass der elfte Ministerpräsident des jüdischen Staates mutige und kontroverse Entscheidungen für den Frieden getroffen habe. »Israel hat an diesem Tag einen seiner wichtigsten Anführer verloren.«

Medienbericht

Hamas soll Antwort auf Vorschlag für Geisel-Deal gegeben haben

Die Terrororganisation habe keine Einwände eingereicht, berichtet ein saudisches Medium. Israelische Regierungsvertreter dementieren den Bericht

 13.01.2025 Aktualisiert

Nahost

Ringen um Geisel-Deal vor Trumps Vereidigung

Vermittler bemühen sich um eine Waffenruhe in Gaza sowie die Freilassung von Geiseln des palästinensischen Terrors. Gelingt vor dem 20. Januar ein Durchbruch?

 13.01.2025

»Israelphobie«

Elefant im diskursiven Raum

In seinem Buch analysiert Jake Wallis Simon, Herausgeber des »Jewish Chronicle«, den Hass auf den jüdischen Staat

von Ralf Balke  12.01.2025

Anti-Terror Kampf

20 israelische Jets gegen Huthi-Stellungen

Mit dem Angriff auf zwei Häfen und ein Kraftwerk reagiert Israel auf die permanenten Attacken aus dem Jemen

von Sabine Brandes  12.01.2025

Jerusalem

»Es bringt Israel zurück zum 6. Oktober«

Opposition kritisiert Wiedereinführung der höchst umstrittenen Justizreform / Charedische Parteien stellen Ultimatum

von Sabine Brandes  12.01.2025

Missbrauch

»Ich habe ein Monster vergöttert«

Eyal Golan soll systematisch junge Mädchen ausgebeutet haben. Jetzt gibt es erneut Vorwürfe

von Sabine Brandes  12.01.2025

Steffen Seibert

Geiseln sind unsere höchste Priorität

Der deutsche Botschafter in Israel sprach auf der Kundgebung in Tel Aviv

 12.01.2025

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nahost

Katz fordert Plan für Hamas-Niederlage

Sollten die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen werden, will der israelische Verteidigungsminister eine komplette Zerschlagung der Terrorgruppe

 10.01.2025