Israel

Abkommen über neue Koalition unterzeichnet

Jamina-Chef Naftali Bennett (l.) und Jesch-Atid-Vorsitzender Yair Lapid am Mittwoch in der Knesset Foto: Flash 90

Gegner von Benjamin Netanjahu haben in Israel mit der Bildung einer Koalition das vorläufige Ende der Ära des Langzeit-Ministerpräsidenten eingeläutet. Mehr als zwei Monate nach der Parlamentswahl hat der bisherige Oppositionsführer Yair Lapid ein Bündnis von insgesamt acht Parteien geschmiedet.

Der Vorsitzende der arabischen Raam-Partei, Mansour Abbas, habe kurz vor Ablauf einer Frist eine Koalitionsvereinbarung mit der Zukunftspartei unterzeichnet, sagte Lapids Sprecher. Abbas erklärte anschließend, er habe als Letzter eine Vereinbarung aller acht Parteien unterzeichnet.

Mit Vereidigung einer solchen Regierung im Parlament wäre die Ära von Netanjahu als Ministerpräsident vorerst beendet.

»Alle anderen Parteien haben sich der Initiative angeschlossen«, sagte Abbas. Es hatte noch bis zur letzten Minute heftige Meinungsverschiedenheiten unter den verschiedenen Koalitionspartnern gegeben. Die Verhandlungen dauerten bis kurz vor Ablauf der Frist um Mitternacht an.

VEREIDIGUNG Dies hat der 57-jährige Lapid nach Angaben seines Sprechers am späten Mittwochabend Präsident Reuven Rivlin mitgeteilt. Mit Vereidigung einer solchen Regierung im Parlament wäre die Ära von Netanjahu als Ministerpräsident vorerst beendet.

Als voraussichtlicher Vereidigungstermin gilt der 14. Juni. Vor der Vereidigung muss eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten für die neue Regierung stimmen.

Teil von Lapids Koalition wird nach Medienberichten auch die ultrarechte Jamina-Partei von Naftali Bennett, der nach der Wahl am 23. März als Zünglein an der Waage galt. Nach Medienberichten einigten sich beide auf eine Rotation im Amt des Regierungschefs. Ex-Verteidigungsminister Bennett soll demnach als Erster für zwei Jahre Ministerpräsident werden, Lapid soll ihn anschließend ablösen.

Lapid stützt sich auf ein Bündnis seiner Zukunftspartei mit sieben kleinen Parteien aus allen Bereichen des politischen Spektrums.

Lapid will zunächst das Amt des Außenministers übernehmen. Seine Zukunftspartei ist in der politischen Mitte angesiedelt. Sie war bei der Wahl im März zweitstärkste Kraft nach dem rechtskonservativem Likud von Netanjahu geworden. Lapid war nach einer Karriere als Fernsehmoderator in die Politik eingestiegen. In einer früheren Netanjahu-Regierung diente er als Finanzminister.

Netanjahu war bereits von 1996 bis 1999 Ministerpräsident und danach seit 2009 durchgängig im Amt. Damit war er Israels am längsten amtierender Regierungschef.

UNTERSCHIEDE Lapid stützt sich auf ein Bündnis seiner Zukunftspartei mit sieben kleinen Parteien aus allen Bereichen des politischen Spektrums. Sie eint vor allem die Ablehnung Netanjahus, eines Ministerpräsidenten unter Korruptionsanklage. Ihre politischen Ziele klaffen jedoch weit auseinander.

Bennett, der mit einem Internet-Start-up zum Millionär wurde, steht für national-religiöse Politik, seine Partei gilt als siedlerfreundlich. Die Koalitionspartner Meretz, die Arbeitspartei sowie die arabische Partei Raam sind für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates. Dies könnte die Arbeit der Lapid-Koalition erschweren.

Rivlin hatte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt, Netanjahu war zuvor daran gescheitert.

Anfang Mai hatten sich 56 Abgeordnete dafür ausgesprochen, Lapid mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Jamina gewann sieben Knesset-Sitze bei der vergangenen Wahl.

Israel verharrte zuletzt in einer politischen Dauerkrise. Die vierte Parlamentswahl binnen zwei Jahren hatte Ende März erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben. Rivlin hatte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt, Netanjahu war zuvor daran gescheitert. Die Frist für Lapid wäre am Mittwoch um Mitternacht abgelaufen. dpa

Meinung

Kollektives Versagen im Angesicht des Bösen

Seit dem 7. Oktober 2023 wissen wir: Das Böse ist da, es ist direkt vor uns. Aber die Welt will es nicht sehen

von Sarah Maria Sander  25.02.2025

EU-Israel-Beziehungen

Unerwünschte Personen

Israel hat zwei Mitgliedern des Europaparlaments am Flughafen Tel Aviv die Einreise verweigert. Diese zeigten sich empört

von Michael Thaidigsmann  25.02.2025

Israel

»Man muss wissen, dass für uns gekämpft wird«

Die freigelassene Geisel Agam Berger hat zum ersten Mal in einem bewegenden Interview über die Zeit in der Gewalt der Hamas gesprochen

von Nicole Dreyfus  25.02.2025

Israel

»Du hast den israelischen Geist in seiner reinsten Form verkörpert«

Israels Präsident Isaac Herzog würdigte Oded Lifschitz bei seiner Beerdigung im Kibbuz Nir Oz. Der 83-Jährige wurde in Geiselhaft von der Hamas ermordet

 25.02.2025

Hamas-Funktionär

»Ich hätte den 7. Oktober nicht befürwortet, wenn ich das Ergebnis gekannt hätte«

Das hochrangige Mitglied Abu Marzouk macht ein überraschendes Eingeständnis. Die Terrororganisation widerspricht ihm vehement

 25.02.2025

Geiseln

500 Tage

Sagui Dekel-Chen, Iair Horn und Sasha Trupanov sind frei. Von jenen, die in den Tunneln zurückgeblieben sind, gibt es erste Lebenszeichen – und Freigelassene schließen sich den Protesten in Israel an

von Sabine Brandes  24.02.2025

Gazastreifen

Hamas fordert Freilassung palästinensischer Häftlinge

Israel will die Insassen erst freilassen, wenn die Terroristen versichern, den Geiseln keine demütigenden Zeremonien mehr aufzuzwingen

 24.02.2025

Israel

Beisetzung der Bibas-Familie am Mittwoch

Die Leichen von Shiri Bibas und ihren kleinen Söhnen Kfir und Ariel sollen ihre letzte Ruhe finden – Monate nachdem sie von palästinensischen Terroristen ermordet wurden

 24.02.2025

Meinung

Was gehen uns Israel und die Geiseln an?!

Es ist bezeichnend, dass weder in der »Elefantenrunde« noch in den anderen großen Sendungen zur Wahl Israel und der dramatisch gestiegene Judenhass ein Thema waren

von Maria Ossowski  24.02.2025