Irans Staatspräsident Ebrahim Raisi ist tot. Neben seinem Außenminister Hossein Amir-Abdollahian und anderen Offiziellen starb er am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz. Wohl nur die wenigsten werden den Mann, der auch als »Schlächter von Teheran« bekannt ist, vermissen. Die Israelis weinen dem religiösen Hardliner keine Träne nach.
Doch was kommt nach Raisi? Entspannung oder vielleicht noch straffere Zügel im Mullah-Regime? Meir Javedanfar ist iranischstämmiger Israeli, Herausgeber des »Iran–Israel Observer« und Dozent an der Reichman-Universität für zeitgenössische iranische Politik, Diplomatie und Sicherheitsstudien. Entsprechend der iranischen Verfassung sei der Präsident nach dem »Obersten Führer« Ayatollah Ali Chamenei der zweitmächtigste Mann im Staat, erklärt Javedanfar. »Doch tatsächlich gibt es andere, die mehr Macht haben.«
Verantwortlich für Tausende von Hinrichtungen Oppositioneller
Raisi war Richter und Leiter des juristischen Komitees. Als solcher zeichnete er Ende der 80er-Jahre für Tausende von Hinrichtungen Oppositioneller verantwortlich. »Er war ein treuer Soldat für das Regime im Iran, aber kein Visionär«, so Javedanfar. Er geht davon aus, dass Raisis Tod weder auf die Außen- noch die Sicherheitspolitik des Landes Auswirkungen haben wird. Dasselbe könne über Außenminister Amir-Abdollahian gesagt werden, obwohl dieser nach eigenen Angaben eng mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah verbunden war.
»Der Tod der beiden iranischen Politiker wird keine großartigen Änderungen bringen, nicht in der Außen- und auch nicht in der Nuklear- oder Sicherheitspolitik«, resümiert Javedanfar. Irans Außenpolitik werde vom Nationalen Sicherheitsrat gestaltet, Raisi sei dort nur eines von mehreren Mitgliedern ohne Vetorecht gewesen.
Der Präsident, ist der Experte sich sicher, sei nicht von besonderem Interesse für den israelischen Geheimdienst Mossad gewesen.
Daher, ist der Experte sich sicher, sei der Präsident auch nicht von besonderem Interesse für den israelischen Geheimdienst Mossad gewesen. »Selbst wenn der Iran oder Nasrallah Israel die Schuld für den Helikopterabsturz zuschieben sollten, ist es unwahrscheinlich, dass sie Israel jetzt angreifen werden.«
In einem Bereich aber hatte Raisi durchaus Einfluss: bei der Wirtschaft. »Er hat da einen fürchterlichen Job gemacht«, meint Javedanfar. Die Inflation sei während seiner Präsidentschaft zu neuen Höhen angeschwollen. Raisi habe Geld drucken lassen, um das massive nationale Haushaltsdefizit auszugleichen. »Doch man weiß ja, dass das die Währung noch mehr abwertet. Er hat die Wirtschaft ins Chaos gestürzt.«
Vor allem aus den sozialen Medien habe Javedanfar erfahren, dass viele Menschen im Iran tatsächlich froh seien, dass der Präsident tot ist. Einige filmten sich jubelnd, während im Hintergrund die Nachrichten laufen, und schickten die Clips an ausländische Medien. Andere zündeten sogar Freudenfeuerwerke. »Es gibt viel Hass gegen das Regime, vor allem wegen der Niederschlagung der Menschenrechtsproteste und der massiven Korruption. Die Iraner sehen das Regime mehr und mehr als den größten Feind an, den sie haben«, so Javedanfar.
Wenig Hoffnung für einen Regimewechsel
Seiner Einschätzung zufolge gibt es allerdings wenig Hoffnung für die Menschen im Iran und der ganzen Welt, dass es in naher Zukunft zu einem Regimewechsel kommt. Raisi wurde am Mittwoch in Teheran beerdigt. Bei der Trauerfeier waren auch führende Vertreter der Terrororganisation Hamas anwesend.
Vorübergehend wird Vizepräsident Muhammad Mukhbar das Präsidentenamt übernehmen. Binnen 50 Tagen muss dann neu gewählt werden. Auch Mukhbar sei ein enger Vertrauter von Chamenei und werde die Linie des Ayatollahs weiterführen, ist Javedanfar überzeugt.
Auch von den Wahlen erwartet der israelische Iran-Experte keine Überraschungen. »Allgemein werden dort Wahlen abgehalten, um das Regime zu bestätigen. Selbst wenn es davor öffentliche Kritik von Offiziellen gibt, ist alles nur Show. Chamenei wird keinen Reformer erlauben.«