Die überwältigende Mehrheit der Israelis sind der Meinung, dass Premierminister Benjamin Netanjahu die Verantwortung für die Geschehnisse des 7. Oktobers übernehmen müsse. 87 Prozent sprachen sich in einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Israel Democracy Institutes (IDI) dafür aus. 72,5 Prozent finden darüber hinaus, dass der Ministerpräsident wegen seiner Verantwortlichkeit zurücktreten sollte. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) meinen sogar, er solle sein Amt umgehend niederlegen.
Dies sind die Ergebnisse einer Umfrage, die das Viterbi Center für öffentliche Meinung und politische Forschung des IDI Ende Februar durchgeführt hat. Daraus ging auch hervor, die Mehrheit des gesamten politischen Spektrums ist überzeugt, dass der Premierminister zurücktreten sollte – entweder sofort oder nach dem Krieg: Bei Linkswählerinnen und -wählern stimmten 96,5 Prozent zustimmend, bei Zentrumswählern 89,5 Prozent und auch bei Rechtswählern waren es mit 56,5 Prozent die Mehrheit.
Am 7. Oktober 2023 überfielen Tausende von Terroristen, angeführt von der Hamas, israelische Siedlungen im Süden des Landes. Bei dem Blutbad ermordeten sie mehr als 1200 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, und verschleppten 251 Menschen in den Gazastreifen. Noch immer sind 59 Geiseln in der Gewalt der Hamas, 24 von ihnen sollen noch am Leben sein.
Meisten Israelis gegen eine Rückkehr von Ben Gvir als Minister
Die meisten Israelis sind gegen die Rückkehr des rechtsradikalen ehemaligen Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir – sogar auf der rechten politischen Seite. Eine eindeutige Mehrheit von 70 Prozent der Gesamtstichprobe hält dies für völlig unangemessen.
Die meisten Israelis seien zudem weiterhin entschlossen, die zweite Phase des Waffenstillstands fortzusetzen, fand das IDI heraus. Die Forscher stellten dafür die Frage: »Sollte Israel die zweite Phase des Abkommens mit der Hamas fortsetzen, die eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten, einen Rückzug aus Gaza und die Freilassung palästinensischer Gefangener im Austausch für die Freilassung aller Geiseln umfasst?« 73 Prozent wollen dies trotz des hohen Preises. Wie im Monat zuvor gebe es nach wie vor dafür »unter den arabischen Israelis eine überwältigende Mehrheit, die diesen Kurs unterstützt (90 Prozent), und unter den jüdischen Israelis eine klare Mehrheit (69,5 Prozent)«, so das Institut.
Israelis sind geteilter Meinung, ob Trump seine Politik gegenüber Israel ändern könnte, wie er es gegenüber der Ukraine getan hat.
Auf die Frage, inwieweit verschiedenen Akteuren die Freilassung der Geiseln zu verdanken sei, erhielt Premierminister Netanjahu mit 41,5 Prozent die geringste öffentliche Anerkennung – tatsächlich war er der einzige, der weniger als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinen konnte.
Die mit Abstand höchste Anerkennung im Gesamtbild der Umfrage wurde US-Präsident Donald Trump mit 85,5 Prozent zuteil. Während der Trend bei jüdischen Israelis dem der Gesamtstichprobe ähnelt, wurde bei arabischen Israelis die höchste Anerkennungsrate mit 72 Prozent den Demonstrationen und dem Druck der Geiselfamilien zugeschrieben.
Geteilter Meinung sind die Menschen in Israel darüber, ob Trump seine Politik gegenüber Israel ändern könnte, wie er es gegenüber der Ukraine getan hat. Angesichts der Kehrtwende der Politik der jetzigen US-Regierung gegenüber der Ukraine durch die Biden-Regierung, fragte das IDI: »Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Präsident Trump auch von Israel abwendet, wenn er der Meinung ist, dass dessen Politik nicht mit den Interessen der Vereinigten Staaten übereinstimmt?«
Große Mehrheit blickt pessimistisch in die Zukunft
In der Gesamtstichprobe halten 51,5 Prozent die Wahrscheinlichkeit dafür für ziemlich oder sehr gering, während mehr als ein Drittel 38,5 Prozent sie für ziemlich oder sehr hoch hält.
Bei der Untersuchung wurde auch ein Blick in die Zukunft gewagt: Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage und des sozialen Zusammenhalts im Land äußerte sich eine große Mehrheit pessimistisch. Wobei die Verteilung dieser beiden Ansichten bei jüdischen und arabischen Israelis ähnlich ist. 63,5 Prozent der Befragten sorgen sich, dass sowohl die Wirtschaft als auch das Gemeinschaftsgefühl in den kommenden Jahren eher negativ ausfallen werde.