Nahost

3 Geiseln gegen 90 Gefängnisinsassen

In Fahrzeugen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, das die Geiseln seit dem 7. Oktober 2023 nicht ein einziges Mal besuchte, wurden drei damals verschleppte Frauen zum Übergabeort in Gaza gefahren. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Nach der Freilassung von drei israelischen Geiseln durch die palästinensische Terrorgruppe Hamas hat Israel in der Nacht gemäß dem Gaza-Abkommen 90 Palästinenser aus der Haft entlassen. Das gab die israelische Gefängnisbehörde bekannt. Die meisten von ihnen sollen Frauen und Minderjährige sein. Am Tag zuvor war am Vormittag nach mehr als 15 Monaten Krieg eine Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft getreten.

Während die weiblichen Geiseln Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) wieder mit ihren Familien vereint sind, liefen im weitgehend zerstörten Gazastreifen laut örtlichen Sicherheitskräften verstärkte Hilfslieferungen für die Bevölkerung an.

Trotz des von der Hamas begonnenen Krieges hatte Israel aber seit Oktober 2023 stets dafür gesorgt, dass Hilfsgüter nach Gaza eingeführt wurden. Insgesamt sind es bisher 1,3 Millionen Tonnen, darunter 1,29 Millionen Tonnen, die auf dem Landweg durch Israel angeliefert wurden. In diesem Jahr sind es bisher 32,530 Tonnen auf 1693 Lastwagen. Dies geht aus den Zahlen der zuständigen israelischen Behörde COGAT hervor.

Emotionale Szenen

Die Waffenruhe soll zunächst sechs Wochen gelten. In der ersten von drei Phasen einer unter Vermittlung Katars, Ägyptens und den USA ausgehandelten Vereinbarung sollen 1.904 palästinensische Häftlinge gegen 33 von insgesamt 94 Geiseln freikommen. Ob ein dauerhaftes Ende der Kämpfe erreicht werden kann, hängt jedoch von weiteren Verhandlungen ab, die in gut zwei Wochen beginnen sollen. Werde keine Einigung erzielt, könnten die Kämpfe weitergehen, hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bereits gedroht.

Unter den weiterhin im Gazastreifen festgehaltenen Entführten sind auch Israelis, die zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die nächste Freilassung von Geiseln soll dem Vernehmen nach am kommenden Samstag erfolgen. Dabei sollen laut einem Hamas-Vertreter vier Geiseln freikommen.

Ein gut zwei Minuten langes von Israels Regierung veröffentlichtes Video zeigt das äußerst emotionale Wiedersehen der drei freigelassenen jungen Frauen mit ihren Angehörigen: Es gab innige Umarmungen, es flossen Tränen, es war Schluchzen und Jubel zu hören. Die freigelassenen Frauen werden in einem Krankenhaus untersucht und psychologisch betreut.

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Tüten mit »Andenken«

Terroristen hatten die Drei während des Hamas-Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt und seitdem in Gaza festgehalten. Damari verlor während der Entführung zwei Finger, wie mehrere israelische Medien übereinstimmend unter Berufung auf ihre Familie berichteten. Auf Bildern war auch die bandagierte Hand der Frau zu sehen.

Die Hamas verbreitete ein Propagandavideo von der Freilassung der drei jungen Frauen, das in Israel als sehr zynisch eingestuft wurde. Zu sehen ist in dem Video, wie die Israelinnen vor ihrer Übergabe in einem Fahrzeug sitzen und lächeln. Um den Hals tragen sie Bänder mit der Aufschrift «Palestine» (Palästina) in den Farben der palästinensischen Flagge. Tüten mit «Andenken» an ihren Aufenthalt in Gaza werden ihnen überreicht.

Bei der Übergabe an das Rote Kreuz werden die Fahrzeuge von bewaffneten Hamas-Kämpfern und einer dichten Menschenmenge umringt, die dabei «Allahu Akbar» (Gott ist groß) skandiert. Bei einer früheren Waffenruhe freigelassene Geiseln hatten berichtet, dass sie den Moment der Übergabe - umringt von einer riesigen Menschenmenge - als extrem beängstigend empfunden hatten.

Jubel bei Begrüßung

In der Nacht kehrten unterdessen die im Gegenzug freigelassenen palästinensischen Häftlinge in ihre Heimatorte im Westjordanland und Ost-Jerusalem zurück. Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie Menschen nahe Ramallah das Eintreffen der weißen Busse jubelnd begrüßen. Israel wollte Berichten zufolge Feiern nach der Entlassung der Häftlinge unterbinden.

Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und den Terroristen sollen derweil fortgeführt werden. Es geht dabei um die größten Streitpunkte, die bisher ausgeklammert wurden. Die Hamas fordert den vollständigen Abzug der israelischen Armee aus dem Küstenstreifen und eine Garantie, dass die von ihr selbst begonnenen Kämpfe dauerhaft beendet sind.

Israels Regierungschef Netanjahu hingegen besteht auf der Zerschlagung der Hamas, die Israel nach wie vor erklärtermaßen vernichten will und weitere Massaker im Stil des 7. Oktobers bereits angekündigt hat. Eine weitere Hürde könnte die Frage sein, welche Häftlinge Israel in einer zweiten Phase im Austausch für die restlichen Geiseln freilassen soll. 34 der Geiseln in Gaza sind vermutlich bereits tot.

Israels Außenminister Gideon Saar warnte vor einem vorzeitigen Kollaps der Waffenruhe. «Wir haben heute die Bilder aus Gaza gesehen. Die Hamas ist noch immer an der Macht in Gaza», sagte er in einem Interview des US-Senders CNN. «Es ist kein Automatismus, von einer Phase in die nächste überzugehen.» Die Hamas dürfe nicht länger in Gaza herrschen. dpa/ja

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