Jerusalem

Viel-Parteien-Bündnis in der Krise

Die Koalition ist seit 13. Juni vergangenen Jahres im Amt. Wie lange wird sie halten? Foto: IMAGO/UPI Photo

So hatte sich Israels Ministerpräsident Naftali Bennett den ersten Jahrestag seiner Acht-Parteien-Regierung wohl nicht vorgestellt: Mangels Mehrheit im Parlament muss der 50-Jährige fürchten, dass ihm seine Koalition aus sehr unterschiedlichen Partnern jeden Moment auseinanderfällt. An diesem Montag steht wohl der nächste Test an, ob seine Truppe noch regierungsfähig ist.

Exakt am ersten Jahrestag soll abermals über ein Gesetz zur Anwendung israelischen Rechts auf israelische Siedler im Westjordanland entschieden werden. Seit 1967 ging das routinemäßig alle fünf Jahre durch - eigentlich also eine Formsache. Nun jedoch verlor die Regierung am vergangenen Montag die Abstimmung darüber. Die Opposition unter dem immer noch einflussreichen Ex-Premier Benjamin Netanjahu (72) forderte deshalb Bennetts Rücktritt.

Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv, vermutet jedoch, dass die Regierung den Jahrestag überstehen wird - so oder so. »Ich denke, sie wird die nächste Woche überleben«, sagt Rynhold. Sollte das Gesetz scheitern, werde sich die Bennett-Regierung um andere Möglichkeiten bemühen, damit der rechtliche Status Quo der Siedler erhalten bleibt. Allerdings: »Es wird hart für sie, bis zum Ende der Knesset-Sitzungsperiode am 23. Juli durchzuhalten.«

Die Koalition ist seit 13. Juni vergangenen Jahres im Amt. Damals fand eine politische Dauerkrise in Israel mit vier Wahlen binnen zwei Jahren ihr Ende. Das Bündnis wird von Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum getragen - darunter erstmals eine arabische. Bennett gelang es auf diese Weise, Netanjahu nach mehr als einem Jahrzehnt als Ministerpräsident abzulösen. Viele zweifelten damals daran, dass die Regierung länger Bestand haben könnte, auch wegen der nur hauchdünnen Mehrheit im Parlament.

Größter gemeinsamer Nenner der XL-Koalition ist bis heute, dass alle acht Partner verhindern wollen, dass Netanjahu zurück an die Macht kommt - »wegen seiner Korruption und seiner Angriffe auf Regierungsinstitutionen«, wie Rynhold sagt. Der Ex-Premier muss sich aktuell in drei Fällen vor Gericht verantworten. Er weist alle Vorwürfe zurück.

Doch die ideologischen Unterschiede zwischen den Regierungspartnern sind in den vergangenen Wochen immer stärker zu Tage getreten. Im April verlor das Bündnis die Mehrheit im Parlament, als eine Abgeordnete von Bennetts ultrarechter Jamina-Partei überraschend die Koalition verließ. Am letzten Montag wiederum stimmten zwei arabische Abgeordnete gegen die Verlängerung des Gesetzes. Andere kamen erst gar nicht, als entschieden wurde. Das Ergebnis: 52 zu 58.

Die Regierung ist derzeit nicht in der Lage, mit 60 von 120 Abgeordneten eigenständig Gesetze in der Knesset zu verabschieden. Der Journalist Nahum Barnea schrieb dazu diese Woche: »Die Abstimmung Montagnacht hat zwei unausweichliche politische Tatsachen festgestellt. Die erste: Die Bennett-Regierung ist von jetzt an eine Minderheitsregierung. Die zweite: Der Versuch, eine arabische Partei als gleichberechtigten Partner in die Verwaltung des Staates Israel einzubinden, ist gescheitert.«

Grundsätzlich unterstützt die mehrheitlich rechtsorientierte Opposition das Gesetz. Sie stimmte aus strategischen Gründen dagegen - um die Regierung unter Druck zu setzen. Nach einem Bericht der »Times of Israel« würde ein Ende der Regelung bedeuten, dass kriminelle Israelis ohne Angst vor Strafverfolgung ins Westjordanland flüchten können. Für Siedler entstünden massive Probleme in Bezug auf Steuern und Krankenversicherung. Die aktuelle Regelung läuft Ende Juni aus.

Solidarität

Schub bei Rüstungsexport-Genehmigungen an Israel

Deutschlands Rüstungsexporte an Israel sind umstritten. Der Union reichen sie nicht. Nun gibt es neue Zahlen: Die Regierung hat zuletzt deutlich mehr genehmigt. Doch eine wichtige Frage bleibt offen

 16.10.2024

Standpunkt

Das Medienversagen

Täter-Opfer-Umkehr und Ja-aber: Viele Redaktionen in Deutschland verzerren Israels Kampf um seine Existenz - mit fatalen Folgen

von Maria Ossowski  16.10.2024

Nachrichten

Sukka, Rettung, Angriff

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  16.10.2024

Berlin

Terrorvorwürfe? Gegen uns?

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini stand in Berlin Rede und Antwort - zumindest ein bisschen

von Detlef David Kauschke  16.10.2024

Meinung

Appeasement mit genozidalen Terroristen?

Wieder einmal zieht die Welt die falschen Konsequenzen aus der Geschichte

von Jacques Abramowicz  16.10.2024

Sicherheit

Iran soll Israelis als Spione und Auftragskiller rekrutiert haben

Mehrere Personen wurden unter dem Verdacht festgenommen, auf Geheiß Teherans Morde begehen zu wollen

von Sabine Brandes  16.10.2024

Libanon

Israelische Armee greift Hisbollah-Hochburg vor Beirut an

Zuvor hatten die USA die Angriffe ungewöhnlich scharf kritisiert

 16.10.2024

Meinung

Friedenshindernis UNIFIL

Die UN-Friedenstruppe im Südlibanon hat versagt - und lässt sich von der Hisbollah als Schutzschild missbrauchen

von Alon David  16.10.2024

Meinung

Demütigende Vorwände

Dass ausgerechnet Deutschland mithilfe fadenscheiniger Vorwände Israel dringend benötigte Hilfe verweigern wollte, ist beschämend

von Nils Kottmann  15.10.2024