Es sollte ein Schweigemarsch sein. Doch irgendjemand begann plötzlich zu singen, dann fielen immer mehr ein, und schließlich skandierten alle Demonstranten: »Am Israel Chai!« Die Passanten auf Frankfurts berühmter Einkaufsstraße Zeil schauten nur kurz zu den rund 200 Menschen herüber, die da mit Kerzen in der Hand singend und Israel-Fahnen schwenkend an ihnen vorüberzogen. Dann wandten sie ihren Blick wieder den Schaufenstern zu oder hasteten weiter auf ihrer frühabendlichen Einkaufstour.
Aufruf Einmal die Zeil herauf und herunter, mit einem kurzen Zwischenstopp auf der Konstablerwache und zum Schluss im Kreis die Hatikva gesungen, länger sollte dieser Marsch am Abend des 21. November nicht dauern. »Wir haben ganz bewusst auf eine Kundgebung verzichtet«, erklärt Jaz Patterson-Baysal, die zu dieser Demonstration aufgerufen hatte. »Denn wir wollen hier keine Politik machen, sondern einfach nur unserer Solidarität mit Israel Ausdruck verleihen.«
»Das Selbstverteidigungsrecht Israels steht nicht zur Disposition und wird auch nie zur Disposition stehen! Wir sind gegen Terror und Terroristen und für einen gerechten Frieden in der Region.« Das, nicht mehr, hatte auf der Einladung gestanden, die Patterson-Baysal auf Facebook publiziert und auch noch über »sämtliche mir zur Verfügung stehende E-Mail-Verteiler« verschickt hatte. Und das genügte als gemeinsamer Nenner für alle, die dem Aufruf folgten. »50 Freunde auf Facebook haben diese Einladung an mich weitergeleitet«, erzählt etwa Judaistik-Student Thomas. Klar, dass er zur Demonstration kommen musste.
Den Wunsch, ihre Verbundenheit mit Israel zu zeigen, hatten außerdem viele Schüler und Lehrer der I.E. Lichtigfeld-Schule, Mitglieder der Frankfurter Jüdischen Gemeinde, viele in Deutschland lebende Israelis. Fast familiär ist die Atmosphäre zwischen den Teilnehmern. Und es fällt kein einziges verächtliches Wort über Gaza und die Hamas. »Hevenu Schalom alechem«, singen die Demonstranten stattdessen, und, immer wieder, die jahrtausendealte Beschwörung: »Am Israel Chai!«
Ordensschwestern Auch eine Gruppe evangelischer Ordensschwestern hat sich dem Zug angeschlossen, »weil wir zu Israel stehen«, wie eine von ihnen verkündet. Seit Anfang der 60er-Jahre habe die Marienschwesternschaft auch eine »Niederlassung« in Jerusalem, ein Heim, das sich vor allem um Überlebende der Schoa kümmere.
Der 15 Jahre alte Joel ist ebenfalls dabei, er trägt Kippa und Kerze: »Ich bin hier, weil Israel meine Heimat ist«, erklärt der Lichtigfeld-Schüler. Sobald wie möglich will er dort leben: »Und ich werde auch meinen Militärdienst ableisten«, sagt er entschieden. Ein kleines Zeichen der Solidarität wird den Demonstranten dann doch noch zuteil. Als sie eine Gruppe von Straßenmusikern passieren, beginnen die spontan, »Hava Nagila« zu spielen.