Widduj, das Sündenbekenntnis, ist ein Schritt im Prozess der Sühne, bei dem wir vor G’tt gestehen, Verfehlungen begangen zu haben. Waren sie gegen G’tt und seine Gesetze gerichtet, darf das Bekenntnis nur ohne die Anwesenheit anderer erfolgen. Ein Vergehen an einem anderen jüdischen Menschen darf man aber öffentlich bekennen und das Widduj auch öffentlich ablegen. Maimonides nennt diese Art von Sündenbekenntnis »außerordentlich lobenswert«.
Das Eingestehen einer Verfehlung an sich bringt noch keine unmittelbare Vergebung. Das Bekenntnis verdeutlicht den Zeitpunkt, an dem eine Person ihre Vergehen erkennt. Das Eingestehen der Sünde und das ehrliche und wahrhaftige Abschwören jeglicher Übertretungen in der Zukunft zeigen, dass der Mensch seine Verfehlungen bewältigt und ob er infolgedessen auch g’ttliche Vergebung verdient.
Teschuwa Maimonides schreibt in seinem Werk Mischne Tora (Hilchot Teschuwa, 1,2): »Was macht Teschuwa aus? Dass der Sünder seinen Verfehlungen abschwört, sie aus seinen Gedanken verbannt und in seinem Herzen beschließt, sie nie wieder begehen zu wollen, wie wir im Buch des Propheten Jesaia (55,7) lesen: ›Der G’ttlose lasse von seinem Weg und der Übeltäter seine Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird Er sich seiner erbarmen, denn bei Ihm ist viel Vergebung.‹« Und im Buch des Propheten Jeremia (31,18): ›Bekehre mich Du, so werde ich bekehrt; denn Du, Herr, bist mein G’tt.‹«
Wie gesteht man, wie befreit man seine Seele? Man sagt: »G’tt, ich habe bewusst und gewollt gefehlt. Ich habe gesündigt aus Gier und Leidenschaft. Jedoch habe ich auch unbewusst und ungewollt gesündigt. Ich habe vielerlei Untaten begangen (...) Meine Taten erfüllen mich mit Scham, und ich werde nie wieder solche Taten begehen.« So etwa lautet nach Maimonides die Essenz eines individuellen Bekenntnisses.
Jom Kippur Zusätzlich zu individuellen Bekenntnissen wurde dem täglichen Gebet auch ein Widduj hinzugefügt. Es gibt zwei anerkannte Strukturen: das kurze Sündenbekenntnis (Widduj haKatan) und das längere (Widduj haGadol). Beide beinhalten eine Auflistung von Vergehen, die ein Mensch überhaupt begehen kann, und das in alphabetischer Reihenfolge. Das verkürzte Widduj wird als ein Abschnitt des Tachanun-Gebets (tägliches Buß- und Bittgebet), das der Amida folgt, stehend und leise gesprochen. An Jom Kippur rezitiert die ganze Gemeinde das Widduj laut. In vielen, hauptsächlich aschkenasischen, Gemeinden wird das Widduj an diesem Tag rezitativ, singend vorgetragen.
Die Liturgie beginnt mit den Worten: »Wir sind schuldig geworden, wir haben Verrat begangen ...«. Eine frühe Form dieses Bekenntnisses finden wir im Buch Daniel (9, 5–19), insbesondere in den Versen 9 und 18–19: »Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind g’ttlos gewesen und abtrünnig geworden« und »Dein aber, Herr, unser G’tt, ist die Barmherzigkeit und Vergebung. Denn wir sind abtrünnig geworden.« Bei jeder zu bekennenden Verfehlung schlägt der Beter mit der Faust an seine Brust. Das symbolisiert, dass bei einer geschlossenen Faust alle Finger der Hand auf uns selbst weisen und wir nicht mit erhobenem Zeigefinger auf andere Menschen zeigen wollen.
Ferner wird – sofern möglich – auch am Sterbebett ein Widduj gesprochen. Wenn der Sterbende genügend Kraft hat, sagt er es selbst, sonst kann es auch ein Verwandter oder Freund, der Rabbiner oder ein Mitglied der Chewra Kaddischa für ihn tun.