»Olam Haba« heißt wörtlich »die kommende Welt«. Man versteht darunter eine Art jenseitige Existenzform. Der Glaube an die Auferstehung ist ein Grundsatz des traditionellen Judentums, verweist aber auch auf das spirituelle Jenseits.
Wenn die messianische Zeit, die wir als »Olam Haba« bezeichnen, anbrechen wird, um die vollkommene Welt des Friedens und des Wohlergehens einzuleiten, dann werden die Gerechten wieder zum Leben erweckt. Ihnen wird dann die Möglichkeit gegeben, die Welt zu erfahren, die sie durch ihre Gerechtigkeit zu vervollkommnen halfen.
Jenseits Die Vorstellung vom Jenseits hat sich erst in der späteren jüdischen Geschichte herausgebildet. Die Tora nennt direkte, konkrete physische Belohnungen und Strafen, anstatt sie ins abstrakte künftige Leben zu verlagern: »Werdet ihr … Meine Gebote halten ... so will ich euch Regen geben zu seiner Zeit, und das Land soll sein Gewächs geben und die Bäume auf dem Felde sollen ihre Früchte bringen ... Ich will Frieden geben in eurem Lande ... Ich will euch wachsen und mehren lassen und meinen Bund euch halten« (3. Buch Mose 26, 3–9).
Allerdings gibt es in der Tora Andeutungen über den Glauben an die Existenz nach dem Tod. Wir lesen an mehreren Stellen, dass die Gerechten mit ihren Lieben nach dem Tod vereint sein werden, während die Bösen davon ausgeschlossen sind. Die Tora spricht von einigen untadeligen Menschen wie Awraham, die nach ihrem Tod »zu ihrem Volk eingesammelt« werden: »Und er … starb in einem gesegneten Alter … und ward zu seinem Volk eingesammelt« (1. Buch Mose 25,8).
Mizwot Aber weder die Tora noch die rabbinische Literatur bieten ein klares (oder auch nur unklares) Bild vom Jenseits, denn unsere Aufgabe besteht darin, die Mizwot hier auf dieser Welt zu verrichten, um sie zu einem besseren, lebenswürdigeren Ort zu machen. Wenn wir unseren Schwerpunkt nur auf das Leben nach dem Tod setzten, würden wir vielleicht aufhören, uns auf unsere Aufgaben in dieser Welt zu konzentrieren.
Andere Religionen lehren, dass man nach dem Tod »in den Himmel emporsteigt«, während wir Juden damit erfüllt sind, das irdische Leben zu heiligen. Unser Thema ist nicht, ob und wie man »in den Himmel« kommt. Das Judentum ist auf das diesseitige Leben ausgerichtet und wie man es gemäß der Mizwot gestaltet. Wir führen die Mizwot aus einem Gefühl der Liebe aus, weil es unser Privileg und unsere heilige Pflicht ist, und nicht aus dem Wunsch heraus, im Gegenzug dafür etwas zu erhalten.
Das Judentum befasst sich eher mit dem Hier und Jetzt und weniger mit dem Danach. Denn jede Aussage über eine andere Ebene unserer Existenz wäre spekulativ. Es gibt keine konkreten Beweise oder Gegenbeweise für das Jenseits. Folglich liegt es an uns, Dinge, die im Bereich des Möglichen liegen, zu verwirklichen, anstatt über jene Dinge zu spekulieren und zu diskutieren, die sich im Reich der Vorstellungskraft befinden.
Leben nach dem Tod Es wäre aber vollkommen falsch, daraus den Schluss zu ziehen, dass das Judentum nichts zu einem Leben nach dem Tod zu sagen hat, oder dass ihm die Vorstellung vom Leben nach dem Tod fremd wäre.
Im Gegenteil: Der Glaube an die Olam Haba und ihre besonderen Erscheinungsformen werden sehr wohl auch im Talmud, dem Midrasch und der kabbalistischen Literatur diskutiert. Viele Aggadot haben diese durchaus nicht leichte Thematik aufgegriffen und erzählen davon. Aber über Details gibt es große Meinungsverschiedenheiten.
In den Sprüchen der Väter lernen wir: »Rabbi Jakow sagte: Die Welt ist nur ein Vorhof der künftigen. Im Vorhof mach dich bereit, auf dass du eingelassen werdest in den Festsaal« (4,21). Und weiter wird gelehrt: »Diese Welt ist wie der Vorabend des Schabbat, und die Olam Haba ist wie ein ewiger Schabbat. Wer am Vorabend des Schabbat Speisen zubereitet, wird am Schabbat zu essen haben.« Durch das Studium der Tora und durch die Mizwot bereiten wir uns auf die kommende Welt vor.