Einer der zentralen Texte des Judentums ist die Mischna. Sie ist die zusammengefasste Niederschrift der mündlichen Tora. Das Wort bedeutet so viel wie »Lernen durch Wiederholung«. Als Redaktor der Mischna gilt Rabbi Jehuda HaNassi, der im zweiten Jahrhundert, als die antisemitische Verfolgung zunahm, die zuvor ausschließlich mündlich überlieferte Gesetzeslehre des jüdischen Volkes niederschrieb, um sie vor dem Vergessen zu bewahren.
Struktur Die Mischna ist in sechs Ordnungen (Sedarim) unterteilt. Der erste Seder, Sera’im (Samen), besteht aus elf Traktaten (hebräisch: Masechtot) und handelt von Gebeten und Segenssprüchen, aber auch von landwirtschaftlichen Vorschriften.
Der zweite Seder, Mo’ed (das Fest), besteht aus zwölf Masechtot und ist die Quelle für die Gesetze des Schabbats sowie der Feiertage.
Der dritte Seder heißt Naschim (Frauen) und legt in sieben Masechtot die Gesetze der Ehe sowie der Scheidung dar.
Im darauffolgenden vierten Seder, Nesikin (Schäden), geht es um die Rechtsprechung in den Gerichten sowie die öffentliche Ordnung. Dieser Seder besteht aus zehn Masechtot. Interessanterweise enthält er auch das wohl berühmteste Traktat der Mischna: Pirkej Avot (Sprüche der Väter). Darin werden die ethischen Grundregeln der jüdischen Religion beschrieben. Dass dieses Traktat ausgerechnet dem Seder Nesikin zugeordnet wurde, begründen einige Kommentatoren damit, dass man den Schaden, den leichtsinniges und unethisches Verhalten verursacht, durchaus mit dem Schaden, den ein wildes Tier anrichtet (Thema in einem anderen Traktat des Seders Nesikin), vergleichen kann.
Der fünfte Seder, Kodaschim (Heilige Dinge), beschreibt in elf Traktaten die Riten aus der Zeit des Zweiten Jerusalemer Tempels, enthält aber auch die Speisegesetze (Kaschrut).
Der sechste Seder, Taharot (Reinheiten), besteht aus zwölf Traktaten und widmet sich der rituellen und spirituellen Reinheit sowie Unreinheit.
Die gesamte Mischna besteht also aus insgesamt 63 Traktaten, die jeweils in Kapitel unterteilt sind. Diese wiederum enthalten einzelne Mischnajot, also Mischnaverse.
Verschriftlichung Bis Rabbi Jehuda HaNassi gezwungen war, die Mischna zu verschriftlichen, wurde sie nur mündlich überliefert. Die Verschriftlichung war bis dahin aus mehreren Gründen verboten: Das Torastudium gilt als eine Kunst, die nicht aus Lehrbüchern gelernt werden kann, sondern allein durch eine lebendige Tradition von Lehrer zu Schüler aufrechterhalten wird. Ein weiterer Grund war die Furcht, die Verschriftlichung würde die unendliche Weisheit der mündlichen Tora begrenzen.
Als jedoch antijüdische Übergriffe zunahmen und es klar wurde, dass die Mischna nur durch Verschriftlichung zu retten ist, sah sich Rabbi Jehuda HaNassi zum Handeln gezwungen. Er machte Gebrauch von einem Prinzip, das auf folgendem Vers beruht: »Zeit ist es, für den Ewigen zu handeln; sie brachen deine Tora« (Tehillim 119,126). Dies erlaubt es den Weisen, in Zeiten nationalen Notstands Verbote der Tora außer Kraft zu setzen.
Talmud Die Mischna ist die Basis des Talmuds. Die Information, die in einer einzigen Mischna enthalten ist, wird im Talmud von unseren Weisen mitunter auf mehreren Seiten kommentiert, erklärt und in den Kontext gesetzt.
Die Kabbalisten weisen darauf hin, dass das hebräische Wort für Seele – Neschama – und das Wort Mischna aus denselben hebräischen Buchstaben bestehen. Grund für den Hinweis ist die positive Wirkung, die das Rezitieren der Mischna laut den Worten der jüdischen Mystiker auf die Seele des Menschen hat. Deswegen ist es eine jahrhundertelange jüdische Tradition, für die Seelen verstorbener Familienmitglieder neben Psalmen auch Mischnajot zu lesen.