Schimon ben Schetach hatte eines Tages einen Esel von einem Araber gekauft. Zur größten Freude seiner Diener baumelte eine wertvolle Kette um dessen Hals. Er brachte das wertvolle Stück sofort wieder zurück zu seinem rechtmäßigen Besitzer. Dieser schrie laut auf: »Gesegnet sei der G’tt der Juden, der sein Volk dazu bringt, ehrlich mit anderen umzugehen« (Talmud Jeruschalmi, Baba Metzia 2:5, 8c). Für Schimon ben Schetach, einen g’ttesfürchtigen Mann, war Kiddusch Haschem, die Heiligung des Namens, wichtiger, als sich an materiellen Dingen zu bereichern.
Schon in der Tora steht geschrieben: »Ihr sollt meinen heiligen Namen nicht entweihen (Chillul Haschem), damit ich heilig gehalten werde unter den Kindern Israels (Kiddusch Haschem). Ich bin der Herr, der euch heiligt«(3. Buch Mose 22, 31–32). Laut Raschi (1040–1105) bedeutet dieser Vers, dass jemand, der die Gesetze der Tora missachtet, den Namen G’ttes entweiht.
Moral G’tt überträgt uns also die Verantwortung, durch moralisch einwandfreies Verhalten seinen Namen täglich vor aller Welt zu ehren. Mosche Chaim Luzzatto, der Ramchal (1707–1746), unterstreicht, dass diese Welt ganz allein für Kiddusch Haschem erschaffen worden ist (Messilat Jescharim, 1. Kapitel). Es ist die Essenz des Judentums, dass die Menschen G’tt dienen und ihn durch das Einhalten seiner Gebote heiligen. Die Frage, was G’tt für uns tun kann, stellt sich nicht. Es gibt mehrere Formen von Kiddusch Haschem: moralisches Verhalten, Gebet, Märtyrertum.
Unsere Weisen erklären uns anhand zahlreicher Beispiele, dass Kiddusch Haschem für einen moralischen und integren Lebenswandel schlechthin steht, etwa die sofortige Bezahlung einer Ware, Ehrlichkeit oder höflichen und respektvollen Umgang mit anderen (Joma 86a). Die Weisen heben hervor, dass diese Haltung allen Menschen gegenüber wichtig ist und wir durch unser Verhalten ein »Licht unter den Völkern« (Or laGojim) sein sollen, damit alle G’ttes Heiligkeit wahrnehmen können.
Obwohl alle Juden das Gebot von Kiddusch Haschem halten sollen, werden die Priester ganz besonders dazu ermahnt, da sie als moralische Instanz des Volkes gelten (3. Buch Mose 21, 6–7 und 22,2). Maimonides, der Rambam (1135–1204), hält fest, dass diese Einstellung auch für alle Gelehrten gilt (Hilchot Jesode HaTora 5,11).
Märtyrer Einer der tragischsten und schwierigsten Aspekte von Kiddusch Haschem ist das Märtyrertum. Rambam sagte: Wenn ein Jude unter Androhung des Todes aufgefordert wird, eine Mizwa nicht zu halten (zum Beispiel etwas zu essen, das nicht koscher ist), dann soll er sich für das Überschreiten der Mizwa entscheiden. Das Leben ist wichtiger. Sollte es hingegen so sein, dass ein Jude in einer Situation ist, in der er auf lange Sicht genötigt wird zu morden, sich heidnischen Praktiken oder sexueller Sittenlosigkeit hinzugeben, dann sei es ratsamer, den Märtyrertod zu wählen, um Chillul Haschem zu vermeiden (Hilchot Jesode HaTora 5,4; Sanhedrin 74a).
Hanna und ihre Söhne, Rabbi Akiva, die Aufständischen von Masada sowie alle Juden, die nur deshalb umgebracht wurden, weil sie jüdisch waren, gelten als Märtyrer.
Auf spiritueller Ebene gedenken wir der Heiligkeit des Namens während des Kaddischs sowie des Keduscha-Verses in der Amida, dem Achtzehngebet. Darin wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, Kiddusch Haschem einzuhalten – egal, ob die Umstände manchmal schwierig erscheinen mögen.