Heute kehre ich zum Judentum zurück, zum Glauben meiner Väter und Mütter. In den vergangenen Jahrhunderten, allen Hindernissen zum Trotz, haben meine Vorfahren ihren jüdischen Glauben, ihre Traditionen und ihr Erbe in ihren Herzen bewahrt.
Ich kehre jetzt zurück mit dem Versprechen, als Jüdin den jüdischen Glauben zu leben und mich zu meinen Wurzeln zu bekennen – indem ich ein jüdisches Heim schaffe, wo unsere Traditionen anerkannt, gestärkt und weitergegeben werden. L’dor w’dor, von dieser Generation zur nächsten Generation!» – Mit diesen Worten erfolgt in Italien die Erklärung zur Kabbalat Chawerut vor einem Beit Din.
Ritual Der Ausdruck «Kabbalat (Diwrei) Chawerut» kann etwa mit «die Satzungen der Gemeinschaft annehmen» wiedergegeben werden und entspricht einer Mitgliedschaftserklärung. Es handelt sich hier um ein altes Aufnahmeritual: Nachdem der Tempel zerstört worden war, wurden die levitischen Reinheitsgesetze und die Vorschriften hinsichtlich der priesterlichen Abgaben nicht mehr von allen streng befolgt. Wer sie jedoch beachtete, schloss sich mit Gleichgesinnten zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Aufnahme setzte die Zusicherung der Kabbalat Diwrei Chawerut voraus (Bechorot 30b).
Seit der Zeit der Geonim wurde der Begriff im Zusammenhang mit Apostaten, die zum Judentum zurückkehren wollen, verwendet – sie mussten das Versprechen der Kabbalat Chawerut abgeben und sich damit auf das jüdische Gesetz verpflichten. Kabbalat Chawerut ist also ein innerjüdisches Verfahren, keine Konversionserklärung.
Tenor in der gaonäischen Zeit war es, keine rituellen Barrieren vor die Rückkehrwilligen zu legen. Auch der Ritba, Raw Jom Tow ben Awraham Ischbili (1250–1330), war der Ansicht, dass ein abtrünniger Jude, der zurückkehrt, nach dem Gesetz natürlich nicht rituell untertauchen müsse – er solle aber vor einem Beit Din die Kabbalat Chawerut erklären, sich also wieder auf die Satzungen der jüdischen Gemeinschaft verpflichten.
Apostasie Im Mittelalter wurde zwischen zwei Arten von Apostasie unterschieden: Auf der einen Seite gab es Menschen, die zur Konversion gezwungen wurden, auf der anderen Seite solche, die schon unter geringem Druck konvertierten. Wenn die Konversion ohne jeglichen Zwang erfolgt war, dann wurde für eine Rückkehr eine Prozedur für notwendig erachtet, die ähnlich einer Konversion war.
Minimum waren das rituelle Tauchbad und Kabbalat Diwrei Chawerut, das Versprechen vor drei Zeugen, fortan wieder jüdisch zu leben. War jemand zur Konversion gezwungen worden, so war für eine Rückkehr in das Judentum keine spezielle Handlung erforderlich. Er musste lediglich seinen Wunsch zur Rückkehr in die jüdische Gemeinschaft erklären und fortan ein jüdisches Leben führen (Schulchan Aruch, Jore Dea 268,12).
Auch heute noch spielt Kabbalat Chawerut eine wichtige Rolle – wenn sich zum Beispiel Karäer oder B’nei Anussim wieder der jüdischen Gemeinschaft anschließen möchten. In Israel ist heutzutage eine Heirat zwischen Karäern und rabbinischen Juden nur möglich, wenn sich der Karäer zuvor dem Prozess der Kabbalat Diwrei Chawerut unterzieht. Nach mehrtägigem Studium mit einem Rabbi muss der Karäer vor einem Beit Din erscheinen und geloben, seine karäischen Bräuche aufzugeben und sich fortan an die Vorschriften des rabbinischen Judentums zu halten. Jährlich legen in Israel etwa fünf Karäer das Versprechen der Kabbalat Diwrei Chawerut ab.
In Süditalien gab es vor der Inquisition eine große jüdische Bevölkerung. Viele Juden haben später trotz Zwangskonversion einige jüdische Traditionen im Verborgenen bewahrt und weitergegeben. Heute können die B’nei Anussim, die Nachkommen der «Gezwungenen», in Gemeinden wie in Serrastretta oder Palermo die jüdische Lebensweise kennenlernen, bevor sie schließlich vor einem Beit Din ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen und die Kabbalat Chawerut erklären. Das Zertifikat, das sie anschließend erhalten, bestätigt ihren jüdischen Status und bringt auf den Punkt, worum es hier geht: «Bentornato a Casa» – Willkommen zu Hause!