Wenn der Körper des Menschen stirbt, gelangt seine Seele in die ewige, die kommende Welt. Dort hat die Seele keine Möglichkeit mehr, sich weiterzuentwickeln, denn ihr fehlt der Körper, mit dem sie die Gebote erfüllen und somit spirituell wachsen kann.
Aus diesem Glauben heraus resultiert der Brauch, an bestimmten Tagen der Verstorbenen zu gedenken und das Jiskor-Gebet für sie zu sagen. Es wird nach der Tora- und der Haftaralesung sowie vor dem Mussafgebet gesprochen, während die Torarolle zugedeckt noch draußen auf der Bima liegt.
Spenden Es ist üblich, im Namen der Verstorbenen Zedaka (Almosen) zu geben. Sie wird den Verstorbenen angerechnet, als ob sie dieses Geld selbst gespendet hätten. Damit wird ihr Anteil in der kommenden Welt verbessert. Die Zedaka darf jedoch nicht am Tag des Jiskors, also weder an Jom Kippur noch an Jom Tov gegeben werden, da Geld an diesen Tagen Mukze, verboten, ist.
Die früheste Quelle, die das Jiskor-Gebet (auch »Maskir« oder »Haskarat Neschamot« genannt) erwähnt, ist der Midrasch Tanchuma, der von dem Brauch berichtet, an Jom Kippur der Verstorbenen zu gedenken und in ihrem Namen Almosen zu geben.
Darauf basiert Orach Chaim 621,6 im Schulchan Aruch, wo geschrieben steht, dass es üblich ist, an Jom Kippur zu versprechen, im Namen der Verstorbenen Almosen zu geben. Der Rama, Rabbi Mosche Isserles (1525–1572), fügt hinzu, dass es in aschkenasischen Gemeinden Brauch sei, auch Jiskor zu sagen. Es steht jedoch nicht im Schulchan Aruch, dass man an anderen Tagen als an Jom Kippur Jiskor spricht.
In den Kommentaren des Artscroll-Machsor liest man, dass der Brauch unter aschkenasischen Juden, an den letzten Tagen von Pessach, an Schawuot und Schemini Azeret Jiskor zu sagen, höchstwahrscheinlich nach den Kreuzzügen entstanden ist, nachdem viele Juden massakriert und zahlreiche Gemeinden ausgerottet worden waren.
In den meisten Gemeinden ist es üblich, dass man im ersten Jahr nach dem Tod kein Jiskor für die Verstorbenen sagt. Der Grund dafür ist, dass die emotionale Bindung zu den Verstorbenen im ersten Jahr noch sehr stark ist und die Kinder während des Jiskors derart gerührt wären, dass es sie beim Beten stören könnte.
verlassen Es ist allgemein Brauch, dass Gemeindemitglieder, deren Eltern noch leben, vor dem Jiskor-Gebet die Synagoge verlassen. Dies geschieht aus zwei Gründen: einerseits, um dem »bösen Auge« aus dem Weg zu gehen, denn diejenigen, deren Eltern gestorben sind, könnten neidisch werden auf die, deren Eltern noch leben. Andererseits verlassen sie den Raum, so Rabbiner Elie Munk, damit sie nicht den Fehler begehen und sich fälschlicherweise dem Jiskor-Gebet anschließen.
Viele machen den Fehler und zünden am Tag des Jiskors eine Kerze für die Seele des Verstorbenen an. Das ist verboten, denn an Jom Kippur und an Jom Tov darf man kein Feuer machen. Die Kerze muss also davor angezündet werden.
Wir helfen den Seelen der Verstorbenen nicht, indem wir die Gebote ihretwegen brechen. Umgekehrt helfen wir den Seelen, wenn wir die Gebote in ihrem Namen erfüllen. Mögen wir mit unseren Geboten den Seelen der Verstorbenen helfen, und mögen diese Seelen in Frieden ruhen.