Glossar

Fasten

Seit biblischen Zeiten bis in die Gegenwart spielt das Fasten eine bedeutende Rolle in der jüdischen religiösen Tradition

von Noemi Berger  29.06.2015 18:05 Uhr

Manchmal bleibt die Küche kalt. Foto: Thinkstock

Seit biblischen Zeiten bis in die Gegenwart spielt das Fasten eine bedeutende Rolle in der jüdischen religiösen Tradition

von Noemi Berger  29.06.2015 18:05 Uhr

Seit biblischen Zeiten bis in die Gegenwart spielt das Fasten eine bedeutende Rolle in der jüdischen religiösen Tradition. Der Fastende enthält sich dabei jeglichen Essens und Trinkens.

Ein ganztägiges Fasten, wie an Jom Kippur oder Tischa beAw, beginnt mit dem Sonnenuntergang am Vorabend und dauert bis zum Einbruch der Dunkelheit am Abend des nächsten Tages. Sogenannte kleine Fasttage wie Zom Gedalja, Assara Betewet, Ta’anit Esther oder – in wenigen Tagen – der 17. Tamus haben einen geschichtlichen Hintergrund, beginnen in der Morgendämmerung und enden bei Anbruch der Dunkelheit am selben Tag.

Aus biblischer Sicht soll das Fasten den g’ttlichen Zorn besänftigen und den Menschen mit G’tt versöhnen. Die spätere jüdische Tradition legte bestimmte Tage für das gemeinschaftliche Fasten gesetzlich fest.

Reue Das Fasten kann ein freiwilliger Akt der Reue sein oder eine religiöse Verpflichtung gemäß des jüdischen Kalenders. Man hofft, dass das Fasten G’tt beeinflusst, gnädig zu sein.

Individuell wird als Buße für begangene Vergehen gefastet. So sühnte zum Beispiel König David seine unkeusche Beziehung mit Batschewa durch Fasten: »Und David suchte G’tt … und fastete und ging hinein und lag über Nacht auf der Erde« (Schmuel II 12,16). Später wählten manche Juden das Fasten nach Erlebnissen mit Albträumen, die vermutlich durch »fehlerhaftes Verhalten« hinaufbeschworen wurden.

Die jüdische Braut und der Bräutigam fasten am Tag ihrer Hochzeit, um ihre Ehe im Zustand der spirituellen Reinheit zu beginnen. Der Akt des Fastens sühnt für etwaige frühere Vergehen der Braut und des Bräutigams.

Manche Juden fasten auch am Jahrzeitstag, dem Todestag ihrer Angehörigen oder Lehrer. Und eine Gemeinde fastet als Akt der gemeinschaftlichen Buße, wenn die heilige Torarolle durch Unachtsamkeit auf den Boden gefallen ist. Das Fasten soll G’tt milde stimmen, damit Er den Büßern vergebe.

Jom Kippur Der bekannteste jüdische Fasttag ist Jom Kippur, der Versöhnungstag (3. Buch Mose 23, 27–32). An diesem Tag befiehlt G’tt dem Volk Israel: »Ihr sollt eure Seelen kasteien.« Dabei ist es nicht nur verboten, zu essen und zu trinken, sondern auch zu baden und sich zu waschen. Ebenfalls verbietet sich das Tragen von Lederbekleidung und -schuhen an diesem Tag, denn beides gilt als Luxus. Außerdem widerspricht es dem rabbinischen Gebot des Mitgefühls mit der Tierwelt (Za’ar Ba’al Chajim).

In den späteren biblischen Büchern entwickelte die prophetische Tradition die Idee, dass das Fasten nicht nur den g’ttlichen Zorn besänftigt, sondern den Menschen auch spirituell erneuert.

Aus Sicht des Propheten Jesaja (58, 6–9) weckt der Verzicht die ethische Empfindsamkeit. Für die prophetische Stimme ist ethische Vollkommenheit die ultimative Forderung nach religiösem Verhalten im Leben. Dies gilt jedoch erst dann als sinnvoll, wenn sich der Büßer auch in seinem Inneren verändert. Unsere Weisen sahen im Fasten den Weg, die menschliche Seele zu reinigen.