Glossar

Cherem

Verbannt: Baruch Spinoza (1632–1677) Foto: dpa

Überall, wo Menschen zusammenleben, gibt es Probleme. Manchmal bedrohen diese Probleme gar die Existenz der Gemeinschaft. Während zu Mosches Zeiten der Aufstand von Korach und seinen Anhängern noch dadurch ein Ende fand, dass sich die Erde auftat und die Frevler verschlang, sind wir seither auf andere Wege angewiesen, unsere jüdische Gemeinschaft von innen heraus zu schützen. Eine dieser Möglichkeiten ist der Cherem, der Bann.

Im Tanach finden wir den Begriff mehrfach. Bei Jehoschua ist das Gebannte die Beute bei der Eroberung Jerichos: Die ganze Stadt mit allem, was in ihr ist, soll dem Ewigen verbannt sein. Achan ben Charmi von den Kindern Israels vergreift sich aber an etwas aus der Stadt, nimmt es als persönliche Beute an sich und bringt damit Unglück über sein Volk. Daraufhin steinigt man ihn und seine Familie und verbrennt ihren gesamten Besitz.

Bann Bei Esra trifft der Bann all jene, die dem Befehl der Obersten und Ältesten des Volkes nicht nachkommen, indem sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und ihre Besitztümer gebannt, also der Gemeinschaft verboten werden. In diesem Fall ist zwar keine Todesstrafe mehr vorgesehen; dennoch kommt der Gebannte in eine gefährliche Situation, denn außerhalb der schützenden Gemeinschaft ist er vogelfrei und wird zu einem, der im Weiteren der Gnade oder dem Fluch G’ttes überlassen ist.

Im Talmud unterscheidet man Nidui und Cherem, ergänzt um die Nesifa in gaonäischer Zeit. Eine Nesifa wurde ausgesprochen in Form einer scharfen Rüge durch einen hohen Schriftgelehrten aufgrund von ungebührlichem Verhalten. Dies zog einen Hausarrest von sieben Tagen nach sich. Der Nidui bezeichnet einen zeitlich begrenzten Ausschluss aus der Gemeinschaft, um einen hartnäckigen Frevler zur Umkehr zu bewegen. Der Nidui ist zunächst auf 30 Tage festgesetzt, kann aber um weitere 30 Tage verlängert werden, und er wird erst aufgehoben, wenn der Betreffende aufrichtig Reue zeigt und um die Erlaubnis zur Rückkehr in die Gemeinschaft bittet. Tut die mit dem Nidui belegte Person dies nicht in der gegebenen Zeit, dann geht der Nidui in den Cherem über.

Nidui Ein mit dem Nidui Belegter befindet sich noch innerhalb seiner jüdischen Umgebung, auch wenn man beispielsweise nicht mit ihm zusammen isst oder ihn zu sich einlädt. Der Cherem jedoch, die höchste Stufe des Banns, zieht den Ausschluss aus der jüdischen Gemeinschaft nach sich. Der Betroffene wird wie ein Nichtjude behandelt; seine Kinder dürfen keine jüdische Schule besuchen, auch ist für sie weder die Brit Mila noch eine jüdische Hochzeit möglich, und seine Frau darf keine Mikwe besuchen. Einer, der im Bann stirbt, erhält auch kein jüdisches Begräbnis; wohl bestattet man ihn, aber ohne die übliche Zeremonie und auch ohne Trauerrede, dafür legt man ihm einen großen Stein auf den Sarg. Im Traktat Berachot wird sogar beschrieben, dass man den Sarg eines gebannt Verstorbenen auf Anordnung des Gerichts mit Steinen bewarf.

Der Cherem beziehungsweise seine Androhung diente der Durchsetzung rabbinischer Dekrete, aber auch dem Ausschluss von Ketzern, Abtrünnigen und anderen Menschen, die nach Meinung der jüdischen Autoritäten durch ihr Verhalten das Judentum in Misskredit brachten, wie etwa Schabtai Zwi oder Spinoza.

Schofar Ein Cherem wurde ausgesprochen über der Tora, während das Schofar geblasen wurde und alle Anwesenden die brennenden Kerzen in ihren Händen löschten, zum Ausdruck dafür, dass dem Verbannten das Licht des Ewigen nicht mehr scheine.

Doch darf der Cherem kein Ausdruck von Hass oder Rache sein, sondern er ist – wenn alle Ermahnungen erfolglos waren – als letztes Mittel zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft anzusehen. Durch den Ausschluss des Einzelnen wird die Erhaltung von vielen gewährleistet, zur Bewahrung des Judentums.