Glossar

Challe mit Salz

Warum streuen wir Salz auf die Challe? Tun wir es, um zu würzen, oder ist es ein Symbol?

von Chajm Guski  04.06.2012 17:49 Uhr

Tradition: eine Prise zum Draufstreuen Foto: Marco Limberg

Warum streuen wir Salz auf die Challe? Tun wir es, um zu würzen, oder ist es ein Symbol?

von Chajm Guski  04.06.2012 17:49 Uhr

Der Ablauf des Kidduschs am Abend oder am Morgen des Schabbat ist stets gleich: Man spricht zunächst den eigentlichen Segensspruch über den Wein, wäscht sich dann die Hände und spricht anschließend die Bracha über die Challe. Danach streut man etwas Salz auf die Challe oder tunkt einen Bissen in Salz ein.

So wird es heute in vielen Familien und Gemeinden gehandhabt. Dieser Ablauf ist vielen von uns, wenn nicht Routine, so doch aber eine angenehme Tradition. Variationen gibt es wenige. Lediglich zwischen Rosch Haschana und Simchat Tora setzen wir Honig statt Salz ein.

Brauch Warum streuen wir Salz auf die Challe? Tun wir es, um zu würzen, oder ist es ein Symbol? Schon in Zeiten der Lehrer des Talmuds war es allgemeiner Brauch, sein Brot mit Salz zu verzehren. Das wissen wir, weil dieser Brauch im Talmud (Berachot 40a) dokumentiert wird. Dort wird gesagt, dass man nach der Bracha über das Brot mit dem Brechen des Brotes warten soll, bis jemand einem das Salz (oder Gewürz) gereicht hat. Aber hier geht es nicht speziell um den Schabbat, sondern um eine alltägliche Handlung. Man salzte offenbar sein Brot zu jeder Mahlzeit.

Von Raba ben Schmuel wird erzählt, dass er nicht auf das Salz gewartet hat; er sah dies wohl nicht als unbedingt notwendig an. Offenbar war er Pragmatiker und ging davon aus, das Brot enthielte bereits Salz. Jedenfalls interpretierte man sein Verhalten entsprechend. Rabbiner Josef Karo (1488–1575), der Verfasser des Schulchan Aruch, schreibt, dass es in diesem Fall nicht nötig sei, das Brot zusätzlich zu salzen (Orach Chajim 167,5). Das bedeutet: Es geht nicht um das Salzen, sondern um das Salz.

Tempel Den Schritt in Richtung Interpretation geht dann Rabbi Mosche Isserles (1525–1572) in seinem Kommentar zum Schulchan Aruch. Er schreibt, dass wir das Salz auf dem Tisch haben, weil unsere Tische dem Altar im Tempel glichen und die Opfer im Tempel stets mit Salz dargebracht worden seien.

Das ist wiederum eine Anspielung auf Pirkej Awot (3,3), wo tatsächlich der Tisch des Hauses dem Altar (Misbeach) im Tempel gleichgesetzt wird. Und natürlich spielt er damit auf 3. Buch Moses 2,13 an, wo es heißt: »Jedes Speiseopfer sollst du salzen, und deinem Speiseopfer sollst du das Salz des Bundes deines G’ttes nicht fehlen lassen. Jede deiner Opfergaben sollst du mit Salz darbringen.«

Damit lässt sich zumindest die Verwendung und der hohe Stellenwert von Salz nachweisen, jedoch nicht, warum man es am Schabbat verwendet und an Werktagen nicht. Ausgerechnet am Freitagabend wurden die Schaubrote nicht zum Altar im Tempel gebracht und dementsprechend auch nicht gesalzen.

Denkbar ist, dass die Mahlzeiten am Schabbat durch die Besonderheit des Tages ihren speziellen Charakter erhalten haben und sich im Laufe der Zeit immer deutlicher von den üblichen Mahlzeiten unterschieden. So isst man wochentags nur noch selten gemeinsam mit anderen. Immer häufiger tut das jeder für sich. Vielleicht geriet das Salzen in Vergessenheit, auch weil es nicht mehr unbedingt notwendig war. Am Schabbat jedoch hat sich dieser Brauch erhalten.