Bei Andrej Kamen klingelte in den vergangenen Wochen das Handy noch häufiger als sonst. Der Grund: Er hat sich um die Organisation gekümmert, damit die Kids aus Münster zu den jeweiligen Probenorten gelangen konnten. Denn zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten sind auch aus dieser Stadt wieder Sänger und Tänzer bei der Jewro am Start, die am Freitag in Frankfurt stattfindet.
Und zwar mit der neu gegründeten Gruppe des Landesverbandes Westfalen-Lippe We.Zair Westfalia. »Vor 23 Jahren war ich als Madrich bei der ersten Jewro in Bad Sobernheim dabei, heute übernehmen andere Eltern und ich die Fahrdienste für unsere Kinder«, sagt er lachend. Denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei es mitunter schwierig, nach Recklinghausen oder Gelsenkirchen zu kommen, wo es geeignete Probenorte gab.
LEIDENSCHAFT Sechs Jugendliche aus Münster werden bei der Show zusammen mit den anderen Kids aus Recklinghausen, Wuppertal und Bochum auf der Bühne stehen. 40 werden es insgesamt sein. Zwei Hauptsänger wird es geben, vier weitere Backstage, und die anderen werden tanzen. Darunter auch Elisabeth und Esther. »Früher habe ich ganz viel Ballett trainiert«, sagt die zwölfjährige Elisabeth. Tanzen sei eine Leidenschaft von ihr, die »mich glücklich macht«. Aber nicht nur das Training schätzt sie in diesen Tagen, sondern auch den Kontakt zu den anderen Jugendlichen. Sie sei schon sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Probenarbeiten. Das Jugendzentrum Münster besuche sie, so oft sie könne, so die Siebtklässlerin, die auch Klavierunterricht nimmt und sich gern mit Freundinnen trifft.
Es hat Monate gebraucht, um eine Logistik für die Probenorte zu erstellen.
Da die Anfahrten umständlich und zeitaufwendig waren, hatte sich Anton Tsirin, Jugendreferatsleiter des Landesverbandes Westfalen-Lippe, vorher überlegt, dass »nur« einige konzentrierte Probentage und ein Wochenende realistisch waren. »Es gab kein Casting, denn es durfte jeder mitmachen, aber es war verbindlich, bei allen Proben dabei zu sein.« Ihm war es wichtig, dass auch die Kids und Jugendlichen aus kleineren Gemeinden eine Chance erhalten, beim Jewrovision Song Contest mitzumachen.
Auf die Idee, über den Landesverband eine Truppe zusammenzustellen, bekam er ein gutes Feedback. Die Jüdische Gemeinde Wuppertal gehört zwar dem Landesverband nicht an, dennoch tanzen und singen einige Kids auch aus dieser Stadt mit. Sie hätten Monate gebraucht, um eine Logistik für Probenorte und Zeiten auf die Beine zu stellen, so Anton.
Kostüme »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es für mich möglich sein wird, bei der Jewro mitzumachen«, sagt Esther, ebenfalls aus Münster. Nun ist die 13-Jährige glücklich, denn es war seit Langem ein Wunsch von ihr. Die Streams von den vergangenen Jewros hat sie sich schon angeschaut. Auch sie tanze schon lange und sei ehrgeizig: »Natürlich wollen wir auf den ersten Platz kommen.« Bei der Trainerin Ivana Kisic konnte sie in dieser Zeit viel lernen.
Am Wochenende haben sie bereits ihre Kostüme bekommen und Fotos erhalten, wie sie ihre Haare frisieren sollen. »Die Stimmung ist gut«, meinen die beiden Schülerinnen. Wenn sie es unter die Top fünf schaffen sollten, dann werden sie auch zufrieden sein. Allerdings motivierte sie Anton stets. »Er feuerte uns immer an, dass wir keinen zweiten Platz bekommen wollen, sondern den ersten.«
»Die Eltern haben uns toll mit ihren Fahrdiensten unterstützt«, sagt Anton. Und die Kids präsentieren nun eine »tolle Performance«. »Es ist der beste Auftritt, den ich als Juze-Leiter aufgestellt habe«, meint er. Aber noch wichtiger sei für Esther und Elisabeth, dass sie sich mit den anderen treffen und Zeit gemeinsam verbringen. Viel Spaß hatten sie auch, mit allen vor der Kamera für das Video zu stehen. Denn da hatte sich die Gruppe zusammen mit Ilja Kagan, der für das Video verantwortlich ist, etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Die Kids trafen sich mit Senioren, stellten sich einander ihre Lieder vor und tanzten gemeinsam.
Auch die Kids von JuJuBa (Jüdische Jugend Baden) haben in ihrem Video, das immer das Jugendzentrum vorstellen soll, getanzt, allerdings gerappt. Ihr Thema lautet dabei »Stand up for Peace« und nimmt Bezug auf das Attentat auf Yitzhak Rabin vor knapp drei Jahrzehnten.
Lörrach Die weiteste Anreise hatte wieder Rafael aus Lörrach, der pro Strecke mehr als zwei Stunden mit dem Zug brauchte. Zehn Gemeinden gehören der JuJuBa an. Geprobt wurde überwiegend in Mannheim. Acht Kids von 50 werden bei der Show singen. Ganz neu ist die Idee des Outfits. »Alle werden ein eigenes Kostüm tragen, keiner wird wie ein anderer gekleidet sein«, sagt Viktoria Dohmen, Jugendreferentin der Jüdischen Jugend Baden.
Diese Idee hatte die Choreografin Eden Haas, die früher selbst bei der Jewro auftrat und sich ein individuelles Outfit für jeden gewünscht hat. »Und wir haben es tatsächlich organisiert bekommen und es geschafft«, sagt Viktoria Domen erleichtert. Zuletzt gelang JuJuBa der dritte Platz. »Aber wir hoffen natürlich auf einen Sieg.« Seit Januar haben die Kids intensiv geprobt. Nur ein Mädchen musste vorzeitig aussteigen, da es sich am Knie verletzt hat. Nun kommt es auf Krücken mit nach Frankfurt.
Die Hamburger Jewro-Teilnehmer nutzten ihre Maiferien zum Proben.
Auch in Hamburg gebe es einen krankheitsbedingten Ausfall, sagt Ilja Cinciper, Leiter des Jugendzentrums Chasak. Am Montag hatte er kaum Zeit zum Telefonieren, weil die 50 Nachwuchsstars ihre Maiferien nutzten, um den Auftritt möglichst perfekt einzustudieren. Von morgens bis abends wurde daran gefeilt. »Wir sind den ganzen Tag auf den Beinen«, sagt Ilja. Das Video war da schon fertig. »Unser Thema ist generationsübergreifend und widmet sich dem Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz.«
13 Gruppen werden am Freitag ihr Bestes geben. Die Spannung steigt minütlich. Ab 14.30 Uhr gibt es einen Livestream. »Wir sind glücklich, wenn wir gewinnen, aber wir gönnen es auch den anderen«, sagt Viktoria Dohmen lachend.