Antisemitismusbeauftragter

Zwei Vorreiter

Foto: imago/Christian Ohde

Erfahrungen mit Antisemitismus sind in den jüdischen Gemeinden Deutschlands längst Realität. Auch auf der Straße und im Internet wird offen gegen Juden gehetzt. Das hat jetzt auch die Politik zum Handeln bewegt: Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben Antisemitismusbeauftragte ernannt.

In Stuttgart ist es der Religionswissenschaftler Michael Blume (43), Referatsleiter im Staatsministerium, und in Mainz Dieter Burgard (63), bisher Bürgerbeauftragter dieses Bundeslandes: zwei in der Thematik erfahrene Praktiker. Auf Bundesebene steht eine Berufung in dieses Ehrenamt bevor. Im Gespräch ist Felix Klein. Er hat bereits im Auswärtigen Amt die Funktion des Sonderbeauftragten für Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen inne.

Taten Die entscheidende Frage ist aber: Wird hier wieder einmal nur Symbolpolitik betrieben nach dem Motto: »Seht her, wir tun etwas!«? Oder werden endlich wirksame Instrumente geschmiedet, mit denen Antisemitismus bekämpft oder gar abgebaut werden kann? Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zeigen, dass es nicht genügt, nur eine öffentlich sichtbare Persönlichkeit zu benennen, die aus gegebenem Anlass ihre Stimme erhebt. Beide Länder sind dabei, ihren Antisemitismusbeauftragten einen handlungsfähigen Apparat zur Verfügung zu stellen und klare Aufgaben zuzuweisen. Nur so können den guten Absichten auch Taten folgen.

Beispiel Baden-Württemberg: Der Kabinettsbeschluss der Landesregierung sieht auch die Schaffung zusätzlicher personeller Ressourcen für Michael Blume vor. Als Referatsleiter im Staatsministerium hat er bereits ein eingespieltes Team, das jetzt entsprechend aufgestockt wird. »Mir steht ein leistungsfähiger Mitarbeiterstab zur Verfügung«, sagt der neue Antisemitismusbeauftragte.

Nur so könne er leisten, was von ihm erwartet wird: Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden zu sein, mit allen Institutionen in Kontakt zu treten, die mit dem Thema befasst sind, besonders auch mit der Polizei.

Schulen Ein herausragender Schwerpunkt werden Schulen und andere Bildungseinrichtungen sein. Blume betont: »Ich will koordinieren, was es bereits im Land gibt, und neue Initiativen ergreifen, wo zusätzlich etwas getan werden muss.«
Um dem »alten« Antisemitismus aus rechtsradikalen und zum Teil auch linksradikalen Milieus und dem »neuen« von Zuwanderern aus muslimisch geprägten Ländern begegnen zu können, muss in erster Linie die Jugend gegen rassistisches Gedankengut fit gemacht werden.

Blume verweist auf ein Projekt der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Dabei gehen jüdische Schülerinnen und Schüler in die Schulen des Landes und machen Gleichaltrige mit den Besonderheiten ihrer Religion vertraut. »Solche Initiativen sind es, die uns weiterbringen. Es muss Begegnung stattfinden. Wo sich Menschen von Person zu Person austauschen, können Vorurteile wirksam abgebaut werden. Das gilt nicht nur für antijüdische Vorurteile, sondern gleichermaßen auch für antimuslimische.«

Der baden-württembergische Landtag hat den Antisemitismusbeauftragten in die Pflicht genommen: Jährlich muss ein Antisemitismusbericht vorgelegt werden. Dazu müssen konkrete Vorschläge gemacht werden, mit welchen Maßnahmen gegen Antisemitismus vorgegangen werden kann. Um das Vorhaben auf eine breite Basis zu stellen, wird außerdem eine Expertenkommission ins Leben gerufen.

Ein besonderes Augenmerk wird auf die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden und Gemeinden zu richten sein. Zuwanderer bringen aus ihren islamischen Herkunftsländern tief verwurzelte antisemitische Vorurteile mit.

Hier nicht blauäugig zu sein, ist das Gebot der Stunde. Die Realität darf nicht ausgeblendet werden, wie es in allzu vielen interreligiösen Gremien um des lieben Friedens willen auf kommunaler Ebene oft geschieht. »Letztlich können Christen, Juden und Muslime nur gemeinsam den Antisemitismus besiegen«, ist Michael Blume überzeugt. »Ich will auf die Moscheen und die Imame zugehen, um sie für den Kampf gegen den Antisemitismus zu gewinnen.«

imame Dabei macht er sich aber keine Illusionen. Er ist sich bewusst, dass »die Imame der DITIB-Moscheen von der türkischen Religionsbehörde straff geführt« werden. Es müssten ihnen aber »klare Grenzen« aufgezeigt werden. Die Konflikte der Herkunftsländer dürften auf keinen Fall auch in Deutschland ausgetragen werden, wie das mitunter immer wieder vorkomme. Es gelte, die fortschrittlichen und toleranten Kräfte in den muslimischen Organisationen zu stärken.

Antisemitismus macht vor den Grenzen der Bundesländer nicht halt. Der Beschluss des Bundestags, einen Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene zu installieren, sieht eine Bund-Länder-Kommission vor. Die ist notwendig, um die Maßnahmen gegen Antisemitismus zu koordinieren. Diese Kommission ist aber nur möglich, wenn so bald wie möglich auch in anderen Bundesländern derartige Beauftragte installiert werden.

»Es eilt. Wir brauchen in Deutschland, eine eindeutige Definition dessen, was Antisemitismus ist«, fordert Michael Blume. Auch in der politischen Kriminalstatistik bedürfe es noch einheitlicher Standards. Auf allen Ebenen gilt, was der Antisemitismusbeauftragte in Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, als Losung ausgegeben hat: »Es muss jetzt klare Kante gezeigt werden.«

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