Sogar in ein Schwimmbad wollten sie einziehen – mehr als zehn Jahre hat die liberal ausgerichtete Jüdische Gemeinde Kiel ein neues Zuhause für ihre Gemeinde gesucht. Jetzt hat sie ein historisches Gebäude an der Waitzstraße 43 gemietet. Im Sommer soll alles bezugsfertig sein, auch dank finanzieller Unterstützung der Landesregierung Schleswig-Holstein und der Stadt Kiel, die jeweils 50.000 Euro Mietzuschuss gewähren. Auch für die zweite jüdische Gemeinde in Kiel, die Einheitsgemeinde Kiel und Region, kann ein Umzug in größere Räume Realität werden.
»Ohne die jüdische Kultur wären wir alle viel ärmer. Wir wollen jüdischem Leben in Schleswig-Holstein eine gute Grundlage bieten und ein lebendiges Gemeindewesen ermöglichen«, sagte die Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Unterzeichnung des Mietvertrages für das historische Haus an der Waitzstraße.
Das Geld kommt aus dem Infrastrukturmodernisierungsprogramm »Impuls«. Insgesamt sind im Haushalt 2019 rund 500.000 Euro aus diesem Programm für die zwei schleswig-holsteinischen Landesverbände eingeplant, die für Bau- und Sanierungsmaßnahmen der beiden jüdischen Gemeinden in Kiel aufgewendet werden sollen.
Vertrag Zusätzlich versorgt ein Vertrag zur »Förderung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein« die zwei jüdischen Landesverbände, mit sechs liberalen Gemeinden sowie der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein mit den Einheitsgemeinden Kiel und Region, Flensburg und Lübeck, mit insgesamt 800.000 Euro.
»Ich bin sehr froh, dass wir gemeinsam eine gute Lösung finden konnten, denn es ist wichtig, dass das jüdische Leben in Kiel wieder eine feste Heimstätte bekommt«, sagte Finanzministerin Heinold.
Bei der Entscheidung für den neuen Standort hat auch die Nordkirche mitgewirkt, darunter Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, der vor einem Jahr die Gespräche zwischen der liberalen Gemeinde, der Stadt und der Landesregierung initiierte. Auch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist im Boot. »Wir danken allen Freunden aus den Kirchen, der Kommunal- und Landespolitik und der Öffentlichkeit, die zu diesem Erfolg beigetragen haben«, sagt Alexander Friedmann, Vorsitzender der Jüdischen Liberalen Gemeinde.
In einem Jahr könnte Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt wieder zwei neue Synagogen haben.
»Am neuen Standort kann unser lang gehegter Wunsch verwirklicht werden, eine Synagoge als Ort des Gebets, der Begegnung, der Offenheit und des Lernens einzurichten«, sagte Alexander Friedmann. »Das in den letzten Jahren erblühte jüdische Leben in Kiel braucht eine langfristige Heimat und neue Sichtbarkeit in der Stadt.«
Gemeindegründung Die Liberale Gemeinde Kiel wurde vor 15 Jahren von Liad Inbar gegründet, Enkel eines Mitglieds vor der Schoa. Heute hat die Gemeinde mehr als 200 Mitglieder. Das Haus in der Waitzstraße mit hohen Bogen- und Rundfenstern ist denkmalgeschützt und wurde schon 1919 als religiöser Versammlungsraum einer Freikirche genutzt. Für die liberale Gemeinde ist dies ihr achter Umzug.
»Auch die Jüdische Gemeinde für Kiel und Region in der Wikingerstraße braucht neue Räume, dafür machen wir uns ebenfalls stark«, betonten Stadtpräsident Hans-Werner Tovar (SPD) und Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). Damit wolle die Stadt dem wiederaufkeimenden Antisemitismus eine klare Absage erteilen. Und so können sie sich ebenfalls auf ein neues Zuhause freuen. Sie beten bislang noch am anderen Förde-Ufer in der Wikingerstraße in Kiel-Gaarden.
»Die Zuschüsse werden fair nach einem gleichen Schlüssel auf beide jüdische Gemeinden in Kiel verteilt«, sagt Igor Wolodarski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region mit 430 Mitgliedern aus Kiel, Eckernförde, Rendsburg bis Plön. Die Gemeinde würde zu einem Neu- oder Anbau für ein neues Gemeindezentrum tendieren. Eine Entscheidung soll bis zum Sommer getroffen werden.
Allem Antisemitismus zum Trotz: In einem Jahr könnte Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt wieder zwei neue Synagogen haben – und vielleicht sogar eine Mikwe.