Café Zelig», so heißt der neue Treffpunkt, der für die Überlebenden des Holocaust zu einer wichtigen Anlaufstelle werden soll. Jede Woche, immer am Dienstagnachmittag von 15 bis 18 Uhr, werden dort von nun an nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch musikalische Veranstaltungen, Vorträge und Lesungen angeboten.
IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch machte in ihrer Ansprache zur Eröffnung deutlich, wie wichtig das neue Angebot ist. «Wir können unsere Vergangenheit nicht verdrängen», betonte sie, «aber wir dürfen uns auch nicht von der Vergangenheit verdrängen lassen. Es ist außerordentlich wichtig, andere Menschen zu treffen – Menschen, von denen wir wissen, dass sie uns verstehen und dass sie es gut mit uns meinen. Dafür gibt es ab heute das Café Zelig.»
gespräche Das neue Angebot der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist auch ein Beispiel für gelungene Kooperation. Die Stiftung «Erinnerung, Verantwortung, Zukunft» gehört zu den tatkräftigen Unterstützern des Projekts, das von den Initiatoren schon seit längerer Zeit vorbereitet wurde und jetzt verwirklicht werden konnte.
Dazu maßgeblich beigetragen hat Anita Kaminski, Präsidentin des Vereins B’nai B’rith – Hebraica-Menorah-Loge. Mit den Räumlichkeiten in der Georgenstraße 71 hat das Café Zelig zudem einen geeigneten Standort gefunden. Darüber freute sich bei der Eröffnung ganz besonders Joram Ronel, Oberarzt an der Klinik für Psychosomatik der Technischen Universität, der eine solche Begegnungsstätte für unerlässlich hält und sie beständig vorantrieb.
Welchen Stellenwert das Café Zelig für die Gemeinde einnimmt, beweist Nina Grossmann, eine neue Mitarbeiterin der IKG, die sich jetzt voll und ganz der Organisation der Begegnungsstätte widmen wird. Sie ist auch die Anlaufstelle in der IKG für alle Fragen und Anregungen zum Café Zelig. Ihr zur Seite steht Riwa Houdayer aus der Sozialabteilung. «Die beiden Damen», erklärte Charlotte Knobloch den ersten Besuchern, «werden immer auch ein Lächeln, einen Händedruck und ein offenes Ohr für Sie haben.»
kontakte In der Region München leben noch rund 1200 Holocaust-Überlebende. Olga Albrandt, Leiterin der IKG-Sozialabteilung, kennt deren Situation durch ihre tagtägliche Arbeit nur allzu gut. «Der Anteil der Überlebenden, die an oder unterhalb der Armutsgrenze leben, ist überproportional hoch, insbesondere bei den Hochbetagten. Viele bekommen nur geringe Altersrenten und sind auf Sozialleistungen angewiesen», stellt sie nüchtern fest. München mit seinen hohen Lebenshaltungskosten mache die finanzielle Lage für viele jüdische Zeitzeugen zusätzlich schwer.
Die problematische finanzielle Situation von Schoa-Überlebenden war auch ausschlaggebend für Joram Ronel, der als Oberarzt oft mit psychosomatischen Krankheitsbildern zu tun hat, sich so engagiert für die Begegnungsstätte einzusetzen. Zumal viele Betroffene, die an der Armutsgrenze leben müssen, Scham empfinden, ihre finanzielle Notlage gegenüber Nachbarn und Bekannten einzuräumen.
Bei den Überlebenden der Schoa, beschreibt Olga Albrandt das Dilemma, spiele oft noch die belastende Befürchtung eine Rolle, schon wieder einem Staat ausgeliefert zu sein. «Viele versuchen, ihre tatsächliche Lage zu verbergen, und schränken sich in einem Maße ein, das oft Vereinsamung und Isolation zur Folge hat», sagte auch Charlotte Knobloch, die immer wieder auf die prekäre Lage der Betroffenen hinweist.
Traumata Experten wie Joram Ronel und an vorderster Linie stehende Sozialarbeiter wie Olga Albrandt wissen, dass die psychosoziale Belastung durch Traumata im Alter oft stärker wird. Wenn Beruf, Partner, Kinder und soziales Umfeld nicht mehr das Leben bestimmen und die Beschäftigung mit sich selbst und der eigenen Vergangenheit einen immer größeren Raum einnimmt, wie es am Lebensabend von Überlebenden oftmals der Fall ist, verschlechtere sich erfahrungsgemäß ihre Lebenssituation.
Sozialen Einschränkungen und den daraus resultierenden Folgen entgegenzuwirken, ist das zentrale Anliegen, das mit dem Café Zelig praktisch umgesetzt werden soll. «Die Wirksamkeit des Projekts geht über die teilnehmenden Überlebenden hinaus, es betrifft auch deren Familien und die gesamte jüdische Gemeinde», hebt Charlotte Knobloch hervor.
Geplant ist, dass mindestens einmal im Monat Personen des öffentlichen Lebens wie Politiker oder Künstler als Gesprächspartner eingeladen werden. Dadurch will das Café eine höhere Aufmerksamkeit für die schwierige Lage der Schoa-Überlebenden erreichen. «Viele Menschen», so Charlotte Knobloch, «wissen darüber zu wenig.»