Etwa zehn Minuten dauerte es. Länger benötigten die Vertreter der »Initiative Neuwahl 2013 – Initiative Neuanfang 2014« am Montagmittag nicht, um die Liste mit den 1904 Unterschriften im Büro der Repräsentantenversammlung (RV) in der Oranienburger Straße abzugeben: 1904 von insgesamt 9000 wahlberechtigten Gemeindemitgliedern, die für Neuwahlen in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gestimmt haben. »Was wir machen konnten, ist getan«, sagte Micha Guttmann von der Initiative nach Übergabe der notariell beglaubigten Unterschriften.
Das erforderliche Quorum von einem Fünftel der wahlberechtigten Mitglieder sei deutlich erfüllt und der Weg für Neuwahlen frei, betonte Guttmann. »Zögerlich, verunsichert, sachlich, kühl« sei laut Vertretern der Initiative die Stimmung beim Überreichen der Liste gewesen.
In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin beginne »das Präsidium jetzt mit der Überprüfung der Unterschriften«, sagte der RV-Vorsitzende Michael Rosenzweig der Jüdischen Allgemeinen. »Es ist zu begrüßen, dass die Opposition ihre demokratischen Rechte wahrnimmt. Unzufriedenheit mit der politischen Vertretung ist in jeder demokratischen Organisation legitim.« Die Jüdische Gemeinde sei stabil, solange jeder sein Judentum leben kann, wie er es möchte, betonte Rosenzweig. Er stehe »für Gespräche mit der Opposition jederzeit zur Verfügung«.
Transparenz Bereits am Montagmittag hatte Micha Guttmann bei einem Pressegespräch betont, dass ein solches Votum ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sei. Die Initiatoren, zu denen auch die Repräsentanten Michael Joachim, Tuvia Schlesinger und Carola Melchert-Arlt zählen, rechnen damit, dass es frühestens Mitte Juni zu Neuwahlen kommen wird.
Die Initiative startete im Februar dieses Jahres. Ihre Mitglieder bemängeln das Fehlen von Transparenz und Demokratieverständnis bei Vorstand und Präsidium. »Die Gemeinde ist mittlerweile in einem so schlechten Zustand wie nie zuvor. Sie ist innerlich zerrüttet und gibt in der Öffentlichkeit ein schlechtes Bild ab«, sagte Melchert-Arlt.
»Joffe und seine Gruppe haben das Vertrauen der Gemeindemitglieder verloren«, sagte Micha Guttmann in dem Pressegespräch. Deshalb solle der Gemeindevorsitzende Konsequenzen ziehen und freiwillig zurücktreten. In der nächsten RV, die am Donnerstag, 19. Dezember, stattfindet, soll dieser Antrag besprochen werden.
Löst sich die RV nicht auf, dann hat Michael Rosenzweig als Vorsitzender des Präsidiums die Aufgabe, innerhalb von 60 Tagen die Anträge zu überprüfen. 30 Tage später muss laut Satzung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ein Datum für Neuwahlen genannt werden, spätestens 90 Tage vor der Wahl. Deshalb käme als frühestmöglicher Termin der 16. Juni 2014 in Frage.
Volksbegehren »Wir hätten etwa 1800 Unterschriften gebraucht, haben aber deutlich mehr erhalten«, sagte Micha Guttmann. »Wir freuen uns alle sehr. Das Volksbegehren ist gelungen.« Alle Anträge seien notariell beglaubigt und nochmals überprüft worden. Falls jemand in der Zwischenzeit aus der Gemeinde ausgetreten sei, sei auch sein Antrag aussortiert worden. »Wir sind sehr sorgfältig vorgegangen, damit es gültige Unterschriften sind.« Es sei ein einmaliger Vorgang, denn bisher hatte so eine Aktion noch nie zu genügend Unterschriften geführt. Zuletzt hatte Benno Bleiberg 2005 vergeblich eine Neuwahl-Kampagne – ebenfalls gegen den Gemeindechef Gideon Joffe – angeregt.
Ende Januar startete die »Neuwahlen 2013«-Kampagne. Am ersten Tag hatte sie bereits mehr als 200 Unterschriften zusammen. Schon damals hatte Michael Joachim angekündigt, dass die Initiatoren davon ausgingen, dass es bis Dezember dauern werde, bis sie die notwendige Anzahl zusammen haben würde.
prOgramm Im Übrigen handele es sich nicht um einen Konflikt zwischen Zuwandern und Alteingesessenen., es gebe auch etliche Unterschriften aus dem Kreis der Zuwanderer, betonte Jewgeni Gamal, der zur letzten Wahl mit dem Bündnis »Koach« angetreten war, sich aber mittlerweile der Opposition angeschlossen hat. Ebenso wie Carola Melchert-Arlt. Sie befürchtet, dass die Gemeinde »kurz vorm Zerreißen« sei.
»Wir wünschen uns einen neuen Vorstand, der sich ans Gesetz und an die demokratischen Regeln und Ordnung hält«, sagt Guttmann. Falls Michael Rosenzweig und Gideon Joffe keine Neuwahlen ansetzen, wolle die Initiative juristische Mittel einschalten. Unterdessen gibt es bereits die »Initiative Neuanfang 2014«, der einige Mitglieder der Initiative Neuwahlen 2013 angehören. In den nächsten Wochen wollen sie ein Programm aufstellen. Bereits jetzt kündigt Micha Guttmann an, dass große Themen die Gemeindeschulen, die Finanzen und die Beziehung zum Berliner Senat sein werden.
Bis zur nächsten RV werde sich die Initiative als Gruppe neu aufstellen und im Auge behalten, was passiert, kündigte Guttmann an. Ein nächster Schritt werde die Präsentation des Sachprogramms sein, mit dem die Gruppe als Alternative zum Bündnis »Koach« in die Neuwahlen gehen will, wie es in einer Presseinformation heißt. »Wir möchten endlich etwas Positives bewirken – wir sind keine Berufsmeckerer«, so Guttmann.