Die Kuppel der neuen Regensburger Synagoge ist bereits als Symbol dieses Bethauses mitten in der Altstadt weithin sichtbar. Hier am Brixener Hof entsteht auf dem Areal der jüdischen Gemeinde ein Neubau, der einen Veranstaltungssaal und eine Synagoge beherbergt. Der Rohbau steht und sieht vielversprechend aus. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist geradezu begeistert. Den Ort kenne er natürlich, schließlich sei er vor einem Jahr beim Spatenstich dabei gewesen, aber dass auf dem kleinen Platz ein derart imposanter und ambitionierter Bau entstehen könne, habe er nicht gedacht.
Der Richtkranz hängt über der Baustelle, rund 300 Menschen sind gekommen und drängen sich im künftigen Gemeindesaal. »Kaum ist der Rohbau fertig, ist das Haus schon zu klein«, witzelt Schuster, der der Regensburger Gemeinde und ihrer Vorsitzenden Ilse Danziger zu diesem Projekt gratuliert, das nach vielen Jahren der Planung Gestalt angenommen hat.
ARchitektur Der Gemeindesaal ist auf zwei Seiten geprägt von großen, wandfüllenden Fenstern, die schon eingesetzt sind. Eine Fensterwand gibt den Blick frei in den Innenhof des Areals der Gemeinde. Durch das gegenüberliegende Fenster sieht man auf die Straße. Fußgänger flanieren vorbei oder gehen in das Café gegenüber. Das sei Absicht, betont Ilse Danziger, denn die Gemeinde wolle sich offen zeigen, und dafür steht dieses große Fenster, das die Gemeinde symbolisch zur Stadt hin öffnet.
Der renommierte Berliner Architekt Volker Staab und sein Team realisieren das Projekt. Sie haben den Wettbewerb gewonnen, der hier im Bereich der Altstadt, die durch die UNESCO als Weltkulturerbe geschützt ist, unumgänglich war.
Nachdem ein Tischler den Richtspruch vorträgt, hält es Volker Staab nicht länger. Er klettert über das Gerüst auf das Dach des Neubaus und will die Kuppel aus der Nähe begutachten. Die beiden Teile, aus denen die Kuppel besteht, sind erst hier vor Ort zusammengebaut worden. »Es passt!«, sagt Staab und lächelt zufrieden. Unter der Kuppel ist die Synagoge mit ihrer Frauenempore geplant, im Moment ein hoher betonierter Raum, in den man vom Dach aus hinabblicken kann. »Das Licht wird von oben kommen«, erklärt Staab. Die Fenster, die die Kuppel und das Gebäude verbinden werden, fehlen noch. Die Räume der jüdischen Gemeinde mit ihren rund 1000 Mitgliedern waren viel zu beengt. »Nie konnten wir alle gemeinsam die Hohen Feiertage begehen«, berichtet Ilse Danziger. »An Pessach mussten die einen an dem einen Tag kommen, die anderen am nächsten Tag. Wir feiern doch beide Sederabende eigentlich gemeinsam.«
Seit die Nazis in der Pogromnacht vom November 1938 die prächtige Synagoge, die 1912 hier an dieser Stelle gebaut worden war, angezündet und später abgerissen hatten, hatte die Jüdische Gemeinde Regensburg keine Synagoge mehr. Insofern ist der Bau einer Synagoge »überfällig«, merkt Josef Schuster an. Bislang gab es einen Mehrzweckraum aus den 60er-Jahren, der jetzt abgerissen wurde, und einen kleinen Gebetsraum im Altbau, der von den Nazis nicht angezündet wurde, weil er sich zu nahe an den anderen Häusern befand. Nachdem die Grundfläche begrenzt war, haben sich Volker Staab und seine Kollegen dazu entschlossen, im Erdgeschoss den Gemeindesaal zu bauen und darüber die Synagoge mit Frauenempore.
Kosten Der Neubau wird rund 5,5 Millionen Euro kosten. Der Bund unterstützt den Bau mit 3,3 Millionen aus einem »Programm für nationale Projekte des Städtebaus«, erklärt der zuständige Staatssekretär Florian Pronold, der Regensburg gut kennt und weiß, dass hier eine historische Lücke geschlossen wird. Die restlichen gut zwei Millionen Euro übernimmt die Stadt Regensburg. Das ist ungewöhnlich, denn die Stadt unterstützt in der Regel keine religiösen Bauten. Aber hier sieht sich die Kommune in der Pflicht, schließlich waren es Regensburger, die die Synagoge zerstörten, betont Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer in ihrer Rede, und verweist darauf, dass der Stadtrat der Finanzierung ausnahmslos zugestimmt hatte.
Demnach war die einzige Sorge von NS-Oberbürgermeister Schottenheim, dass die Feuerwehr ein Übergreifen des Feuers auf andere Häuser verhindert. Die Nazis steckten aber in der Pogromnacht nicht nur die Synagoge in Brand. In einem »Schandmarsch«, bei dem die Opfer von Passanten bespuckt und mit Steinen beworfen wurden, trieben sie Juden, die sie aus ihren Häusern geholt hatten, über die nahe Maximilianstraße zum Bahnhof. Der junge Paul Oettinger musste damals vorangehen und ein Schild mit der Aufschrift »Auszug der Juden!« tragen.
Neben dem Rohbau steht noch der Altbau. Das Gebäude ist eingerüstet und wird zurzeit saniert. Die Hälfte der Kosten von 2,5 Millionen übernimmt der Freistaat Bayern. Ein Förderverein hilft, den Rest aufzubringen. 750.000 Euro hat der Förderverein bereits gesammelt.
Pogrom Eingeweiht werden soll die neue Synagoge 2019, im Gedenken an das Jahr 1519, als infolge eines Pogroms die Juden aus der Stadt vertrieben wurden, der große jüdische Friedhof zerstört, die mittelalterliche Synagoge und das ganze jüdische Viertel auf dem heutigen Neupfarrplatz dem Erdboden gleichgemacht wurden.
Hier am Neupfarrplatz zeichnet heute ein Kunstwerk des israelischen Künstlers Dani Karavan aus weißem Beton den Grundriss der Synagoge nach. Mit dem Neubau wird die historische und politische Wunde am Brixener Hof geschlossen. Hier am Sitz der jüdischen Gemeinde entsteht am historischen Ort das neue Gotteshaus.
Schuster würdigt den Bau als ein deutliches Zeichen dafür, »dass die jüdische Gemeinde ein fester Bestandteil dieser Stadtgesellschaft ist«. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sprach von einem historischen Tag und freut sich, dass die jüdische Gemeinde mit diesem Neubau »wieder mitten in der Gesellschaft sichtbar ist«.