Ganz Deutschland ächzt unter den derzeitigen hohen Temperaturen. Empfiehlt es sich überhaupt noch, seine kühle Wohnung zu verlassen, um die Gemeinde zu besuchen?
»Bei uns in der Synagoge sind die Temperaturen passabel«, sagt Daniel Nemirovsky, Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, denn die Gemeinde ließ vor mehr als zwei Jahrzehnten eine Klimaluftaustauschanlage einbauen, die ab einer gewissen Temperatur anspringt. »Sie ist programmiert«, so der Geschäftsführer, der an diesem späten Vormittag aus dem Gebetsraum kommt. »Dort ist es angenehm.«
aktivitäten Ferner sei man in Karlsruhe an Temperaturen über 30 Grad gewöhnt. »Aber die Besucherzahlen der Veranstaltungen und anderer Aktivitäten gehen runter, wenn es so heiß wie jetzt ist.«
Die Aachener Synagoge besteht zu großen Teilen aus Glas – es wird heiß.
Auch bei der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg kletterte das Thermometer am Wochenende auf weit über 30 Grad. »Selbstverständlich kommen die Beter wie gewohnt zu den Gottesdiensten und zu den Veranstaltungen«, sagt Vorsitzender Alexander Mazo. In der Synagoge hat er die Temperatur nicht gemessen, weiß aber, dass man es dort »gut aushalten« kann. »Das Gebet am Morgen schaffen wir gut, denn da ist es noch frisch, und am Abend ist es bereits wieder etwas kühler.«
Apropos kühl. Rabbiner Yehuda Pushkin arbeitet gerade bei einer Raumtemperatur von 15 Grad, denn er ist im Keller des Staatsweinguts Weinsberg und beaufsichtigt die Filterung des Weins. Bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (Stuttgart), in der er amtiert, ist eine Klimaanlage eingebaut. »Die wird vor Schabbat angestellt.«
Eine Klimaanlage benötigt die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig nicht. »Unsere Synagoge ist kühl«, sagt Küf Kaufmann, Vorsitzender der Gemeinde. Ferner werden die Gottesdienste immer noch digital übertragen. »Aus Wien, Budapest oder Prag – von überall aus kann man sie verfolgen, ohne durch die Hitze zu laufen.« Da es sich bei der Leipziger Synagoge um einen älteren Bau handelt, werde das Gebäude im Sommer nicht besonders warm, erklärt Kaufmann. Wenn es im Winter draußen kalt ist, kühle es sich nur wenig ab.
Sonnenstrahlen Die Aachener Synagoge besteht zu großen Teilen aus Glas. »Es ist bei uns schön hell«, sagt Friedrich Thull, Geschäftsführer der Gemeinde. Der Nebeneffekt sei allerdings, dass die Sonnenstrahlen für eine hohe Raumtemperatur sorgen. »Am vergangenen Sonntag war es in Aachen sehr heiß, über 35 Grad«, sagt Thull.
Doch seit ein paar Jahren verfügt die Gemeinde über eine Klimaanlage. Freitags werde sie nachmittags angestellt, damit die Temperaturen zu den Gottesdiensten angenehm sind. Früher, vor dem Einbau der Klimaanlage, seien die Gottesdienste in der Sommerzeit mitunter in den Saal verlegt worden, der ohnehin klimatisiert ist. »Aber eine Klimaanlage kostet schon richtig«, sagt der Geschäftsführer. Große Räume müssen heruntergekühlt werden – da brauche man viel Strom.
Die Gebetsbänke werden in diesen Tagen installiert, und die Baumaßnahmen werden bald abgeschlossen sein: Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Dessau-Roßlau soll in naher Zukunft eröffnet werden. »Das Gebäude ist gut gedämmt und entspricht allen neuen Standards«, sagt Verwaltungschef Aron Russ. Ferner wurde es mit einer Belüftungsanlage ausgestattet. Noch finden die Gottesdienste in einem Ausweichquartier statt. »An diesen heißen Tagen herrschen da angenehme Temperaturen«, sagt Russ.
Frische Unter dem Flachdach der Gelsenkirchener Synagoge staut sich in diesen Tagen die Hitze. »Es ist hart«, sagt die ehemalige Vorsitzende Judith Neuwald-Tasbach. Nun wird überlegt, eine Klimaanlage einbauen zu lassen. Lüften und Ventilatoren würden nicht genügend Frische bringen.
»Wir brauchen keine Klimaanlage«, sagt Janina Kirchner, Geschäftsführerin der Schweriner Gemeinde. Vor den Gottesdiensten werden die Türen und Fenster der Synagoge geöffnet. Für die Beter wird Wasser im Vorraum bereitgestellt und Eis angeboten. »Es ist unsere Aufgabe, es unseren 40 Betern bequem zu machen«, sagt Janina Kirchner.
Das Gotteshaus ist umgeben von anderen Häusern, sodass es verdeckt und den Sonnenstrahlen nicht so intensiv ausgesetzt ist. Auch die Wege zur Gemeinde seien bei hohen Temperaturen machbar: »Es sind schmale, eher schattige Straßen mit viel Grün.«
kreislauf Auch die Anfahrt kann beschwerlich sein, wenn die Hitze Kreislaufbeschwerden verursacht. »Die Regiobahn, mit der einige unserer Beter fahren, kann unangenehm warm werden«, sagt Esther Haß vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Kassel. Überwiegend ältere Beterinnen und Beter gehören der Gemeinde an. An heißen Tagen könne es da schon mal vorkommen, dass sie lieber zu Hause bleiben. Die Synagoge verfügt über keine Klimaanlage, erklärt die Gemeindechefin. »Aber wir haben Fenster.« Morgens werde durchgelüftet, vor allem mit den Dachfenstern. Wie auch in Schwerin stellt die Gemeinde Wasserflaschen und Becher bereit, damit alle genug zu trinken haben.
Morgens werden die Fenster aufgemacht, und es wird gelüftet.
Als das Gebäude der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach saniert wurde, stand bereits fest, dass eine Klimaanlage eingebaut werden sollte – was auch geschehen ist. »Sie funktioniert vollautomatisch«, sagt Leah Floh, Vorsitzender der Gemeinde Mönchengladbach. Sie könne sie von ihrem Handy aus kontrollieren und gegebenenfalls Änderungen vornehmen, damit die 30 bis 40 Beter angenehme Temperaturen vorfinden.
Mit 37 Grad am Morgen muss gerade Rabbiner Yitzchak Mendel Wagner leben, denn er ist in Italien im Urlaub. »Meine Familie und ich leiden unter der Hitze.« Sein Tipp: »Besuchen Sie unsere Synagogen in Deutschland. Dort ist es erfrischend.« Auch das Gotteshaus in Krefeld, in dem er amtiert, verfügt über eine Klimaanlage. »Erst kühlt man sich in der Synagoge ab, dann gibt es einen Kiddusch mit Eiswürfeln.«
Allerdings gehen die Tipps über die Temperatur der Getränke weit auseinander, gesteht Rabbiner Wagner: Bei Sefarden kommen Eiswürfel nicht gut an – sie schwören auf heißen Tee im Sommer.