Beschimpft, geschlagen, beschmiert, zerstört. Die Nachrichten über antisemitische Taten häufen sich in den vergangenen Wochen. In Magdeburg (1. September) werden spielende Kinder im Alter von vier und fünf Jahren rassistisch beschimpft. Anfang August wird ein 13-Jähriger in Berlin in Prenzlauer Berg von einem Unbekannten beleidigt und geschlagen. Der Junge war anhand seiner Kippa als Jude erkennbar.
Im sächsischen Auerbach bei Chemnitz prangt ein ein Quadratmeter großes Hakenkreuz an einer Hauswand. Mitte August werden in Stuttgart die Platten von der Umfassungsmauer des Gemeindezentrums heruntergeschlagen. Über die Motive dazu könne man nur Vermutungen anstellen, sagt Gemeindesprecherin Barbara Traub kurz nach der Tat.
Angriff Eine knappe Woche später, Ende August, wird ein 15-jähriger jüdischer Junge ebenfalls in Stuttgart antisemitisch beleidigt und durch Fußtritte gegen Kopf und Bauch so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Die Täter sollen nach Aussagen des Jungen unter anderem »Jude« und »Scheißjude« gerufen haben. Sie kannten ihn offenbar aus dem Sportverein. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden-Württembergs (IRGW) ist entsetzt.
Barbara Traub hat so einen brutalen Angriff noch nicht erlebt. »In den vergangenen 18 Jahren, in denen ich in Stuttgart bin, ist eine solche Gewalttat gegen einen jüdischen Jugendlichen noch nicht vorgekommen.« Mit Sorge beobachte sie diese vermehrten antisemitischen Angriffe. »Vor einigen Tagen der Vandalismus, jetzt der Übergriff auf den Jugendlichen.« In den nächsten Tagen wolle sie mit der Polizei Gespräche führen. »Es kann nicht sein, dass man einen solchen Akt lediglich als Jugendgewaltkriminalität abtut.«
Öffentlichkeit Der Junge ist laut IRGW mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen worden, stehe aber noch unter Schock. Eigentlich wollten die Eltern des Jungen die Tat nicht publik machen. Doch Traub ist sich sicher: »So etwas muss bekannt werden. Es kann nicht sein, dass ein Junge als ›Scheißjude‹ beschimpft wird.« Die Täter kannten das Opfer aus Schule und Sportverein, sie kommen aus dem Umfeld. Auch mit ihrer Schule will Traub Kontakt aufnehmen.
Es müsse mehr als nur ein Täter-Opfer-Ausgleich gefunden werden, meint Traub. »Aus meiner Sicht liegt hier nicht nur Gewalt vor, sondern auch ein antisemitisches Motiv. Warum rufen denn die Täter ›Scheißjude‹?« Mit Recht habe sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) darüber empört, dass Jugendliche mit »Scheißdeutsche« beschimpft werden, so müsse man sich auch dagegen wehren, als »Scheißjude« bezeichnet zu werden. »Jude darf einfach nicht wieder bedenkenlos als Schimpfwort benutzt werden, hier müssen wir sehr genau aufpassen«, sagt Traub