Festival

Zum Schluss Shlomo Artzi

Die sefardische Synagoge »Tiferet Israel« liegt etwas versteckt, trotzdem haben die Besucher der zweiten »Langen Nacht der Religionen« am Samstagabend zahlreich den Weg in den dritten Stock der Passauer Straße 4 gefunden. Dort, im Betsaal, empfing sie Rabbiner Reuven Yaacobov zur Hawdala-Zeremonie. Yaacobov hatte alle Hände voll zu tun und beantwortete neben Fragen zum Synagogenalltag auch die über die Besonderheiten der sefardischen Gemeinde.

Über 10.000 Menschen waren unterwegs, um mehr über die verschiedenen Strömungen der drei großen Religionen und vieler anderer Glaubensrichtungen zu erfahren. »Das sind weit mehr, als wir erwartet haben«, sagte der Koordinator der zweiten Langen Nacht der Religionen, Peter Amsler, am vergangenen Sonntag. Die Besucher hätten damit ein sichtbares Zeichen für die religiöse Vielfalt Berlins gesetzt, betonte Amsler.

Und die Vielfalt ist auch im Judentum groß. So demonstrierte Reuven Yaacobov zum Beispiel den Unterschied zwischen Sefarden und Aschkenasen anhand einer verzierten Silberhülle und Gewändern aus Samt und Gold, die seinen Ausführungen zufolge zeigen, dass Sefarden sich in der Geschichte etwas freier bewegen konnten. Besonders eine Kinder-Kippa und ein Babymantel kamen beim Publikum gut an.

Auftakt Die Lange Nacht der Synagogen war nur ein Programmpunkt der Jüdischen Kulturtage, die leise und zaghaft am vergangenen Donnerstag in der sanft beleuchteten Synagoge Rykestraße begonnen hatten. Allein die Seitengänge waren in nachtblaues Licht getaucht, während der Pianist Jascha Nemtsov ein Duett mit dem Akkordeon-Spieler Alan Bern anstimmte. Wäre das Lied Dobranotsh – Gute Nacht nicht der Eröffnungsbeitrag, es hätte auch gut der Schlussakkord der 27. Jüdischen Kulturtage sein können.

Aber so hatte es Intendant Martin Kranz gewollt: Die Kulturveranstaltung, die noch bis zum 25. August von Oud-Konzerten über eine Kochshow bis hin zum heimlichen Höhepunkt, dem ersten Deutschlandkonzert von Shlomo Artzi, so einiges zu bieten hat, sollte nun einmal leise beginnen. »Ost und West – Jüdische Musikwelten«. Unter diesem Motto sind zehn hochkarätige Musiker am Donnerstagabend auf der kleinen Bühne der Synagoge Rykestraße zusammengekommen. Der Osten trifft auf den Westen: Das war auch auf der Bühne Programm.

Während Jascha Nemtsov, die Violoncellistin Simone Drescher und die Sopranistin Tehila Nini Goldstein den eher klassischen Teil des Abends präsentierten, zeigten Alan Bern, das Klezmertrio um Michael Winograd und die beiden Sängerinnen Svetlana Kundish und Sasha Lurje, was der Osten zu bieten hatte. Und das war mehr als imposant.

Richtig lebhaft wurde es immer dann, wenn alle Künstler »aus dem Osten« zusammen spielten. Bei Michail Gnessins Jad Anuga oder auch beim traurigen Vorbei von Rolf Marbot. Was der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe zu Beginn des Abends als »Augen- und Ohrenschmaus« angekündigt hatte, war ein echtes Erlebnis. Und auch für Alan Bern war der Abend »ein Zeichen dessen, was möglich ist und was sein kann«.

Markt Musikalisch ging es am Sonntagmittag auch beim Shuk Ha’Carmel im Hof des Gemeindehauses in der Fasanenstraße zu. Während die Sängerin Maya Saban ihre Songs auf der Bühne zum Besten gab, hieß es für etliche Besucher erst einmal Anstehen und Warten, bis sie durch die Sicherheitskontrolle zum Straßenfest eingelassen wurden.

So viele Interessierte wie an diesem Sonntag hätten den Schuk noch nie besucht, ist sich Martin Kranz sicher. Schon zum fünften Mal haben seine Mitarbeiter und er den größten Markt Tel Avivs nach Berlin geholt. Neu war diesmal allerdings, dass der Besuch einen Euro Eintritt kostete. »Wir haben so ein anspruchsvolles Bühnenprogramm, deshalb dachten wir, dass es gut wäre, wenn jeder Besucher sich ein bisschen an den Kosten beteiligt«, sagte Kranz.

Mehrere Tausend Menschen nutzen den Nachmittag, um vor den Ständen mit unterschiedlichsten Speisen, Gewürzen und Tees, Lederwaren, Keramikartikeln und Info-Tischen zu schlendern und etwas zu kaufen. Eine davon ist Antje Wagner. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen schlenderte sie über den Markt. »Ich finde ihn super.« Ganz bewusst hatte die Familie das Mittagessen ausfallen lassen, um auf dem Schuk die für sie eher ungewöhnlichen Spezialitäten aus Israel zu testen. »Sehr gut«, lautete das Urteil.

Hebräisch Aber sie fanden es auch spannend, die Jüdische Gemeinde auf diesem Weg etwas näher kennenzulernen, und nahmen mit etwa 50 weiteren Interessierten an einer Führung durch das Haus teil. Eine Besucherin war so angetan, dass sie fragte, ob auch sie – als Nicht-Gemeindemitglied – an den Kursen der Jüdischen Volkshochschule teilnehmen könne. »Ja, im Hebräischkurs sind noch Plätze frei«, sagte Hendrik Kosche, der das Gemeindehaus vorstellte.

Genau das sei das Ziel: dass Interessierte Einblicke in das jüdische Leben und den Alltag bekommen können und sehen, wie eine Gemeinde im Jahr 2013 lebt. Zum Abschluss der Jüdischen Kulturtage am kommenden Sonntag wird es weniger gemeindlich als poppig-israelisch. Nämlich dann, wenn Shlomo Artzi in der Synagoge Rykestraße sein erstes Deutschlandkonzert geben wird. Katrin Richter, Christine Schmitt, Fabian Wolff

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