Frankfurt

Zum Auftakt drei Kantoren

Die Stimmung wirkte ernster als in den vergangenen Jahren. So nahmen sowohl Harry Schnabel, Mitglied des Frankfurter Gemeindevorstands, als auch der Kulturdezernent der Stadt, Felix Semmelroth, in ihrer Begrüßung zum Auftakt der Jüdischen Kulturwochen am Sonntag Stellung zu den aktuellen antisemitischen Attacken auf deutschen Straßen. In der Westend-Synagoge sprach Schnabel davon, dass das »Selbstverständnis der deutschen Juden, dieses Land als sicheren Lebensraum zu sehen«, in den vergangenen Wochen und Monaten gelitten habe.

Semmelroth bedauerte, dass sich der – leider schon immer vorhandene – »latente Antisemitismus« in der bundesrepublikanischen Bevölkerung mittlerweile in einen »virulenten Antisemitismus« verwandelt habe, der »nur mit allen Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen« sei – eine Haltung, für die er vom Publikum in der fast bis auf den letzten Platz gefüllten Synagoge mit spontanem Applaus bedacht wurde.

Erlebnis Das gemeinsame Erleben von Musik, Theater, Literatur und Bildender Kunst, wie es die Jüdischen Kulturwochen ermöglichten, leiste einen wesentlichen »Beitrag dazu, dass sich die Juden in diesem Land, in dieser Stadt, in dieser Gesellschaft zu Hause fühlen. Denn hier gehören sie hin«, sagte der Kommunalpolitiker mit Nachdruck.

Doch kaum hatten die drei Kantoren die Empore betreten und das traditionelle Schabbatlied »Adon Olam« angestimmt, da schienen sich die Schatten – zumindest vorübergehend – zu verflüchtigen. Ido Ben Gal, der Tenor des Trios, vermag mit seiner Stimme so leicht und unangestrengt auch hohe Tonlagen zu erklimmen, dass man nur staunen kann. In Amnon Seeligs Bass verbinden sich sonore Tiefe und eine Klarheit und Wärme in den höheren Lagen auf wunderbar harmonische Weise, und der Bassbariton von Assaf Levitin kommt niemals dröhnend daher, sondern bewahrt stets einen schlanken und sehr beweglichen Klang.

Auch die Arrangements überraschten mehrfach mit rhythmisch ausgefeilten Passagen und ungewöhnlichen Harmonien. Ergänzt wurde das Programm durch den Chor der Westend-Synagoge unter Leitung von Benjamin Brainman. Dieses Ensemble hat nicht nur wunderbare Stimmen in seinen Reihen versammelt, sondern überzeugt durch seine Präzision und seine hoch professionelle Darbietung.

Jerusalem Auch Roman Kupferschmidt gehört diesem Chor an, doch trat er immer wieder nach vorne und begeisterte die Zuhörer mit dem wunderbaren Klang seiner Klarinette. Bei »Jeruschalajm schel zahav« taten sie sich dann alle zusammen: Chor, Sänger und Instrumentalsolisten, und auch das Publikum konnte nicht anders, als mit einzustimmen, genau wie bei dem »Oseh Schalom …« aus dem Kaddisch.

Das Konzert der drei Kantoren gilt mittlerweile als Klassiker bei den Jüdischen Kulturwochen in Frankfurt und war ein stimmungsvoller Auftakt zu diesem abwechslungsreichen Veranstaltungsreigen, der wie immer von Doris Adler mit großem Engagement organisiert wurde. Seit 1992 findet dieses Festival in jedem Spätsommer statt, und auch in diesem Jahr konnte die Kulturreferentin ein ebenso dichtes wie interessantes Programm zusammenstellen.

Spannend dürfte zum Beispiel die Begegnung mit zwei Töchtern prominenter Väter werden. So wird Sandra Kreisler, die Tochter des berühmten Wiener Kabarettisten und Sängers Georg Kreisler, auf Hebräisch, Russisch, Deutsch und Jiddisch Chansons vortragen. Fania Oz-Salzberger lehrt als Professorin für Geschichte an der Universität Haifa. In ihrem Vortrag »Juden und Worte« erkundet sie die Beziehung zwischen einzelnen zentralen Begriffen und Namen des Judentums und rekonstruiert deren Bedeutungshorizont und -wandel im Laufe der Jahrtausende. Die Historikerin Oz-Salzberger ist die älteste Tochter von Amos Oz.

Lesung Als prominentester Gast konnte der Schauspieler Dominique Horwitz für die diesjährigen Kulturwochen gewonnen werden. Er wird aus Arye Sharuz Shalicars Buch Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude lesen. Aber auch ein Musical, Filme, ein koscherer Kochkurs, Führungen durch Frankfurts Synagogen und ein Konzert mit Israels Pop-Ikone Dany Sanderson stehen in diesem Jahr auf dem Programm.

Frankfurt/Main

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