Stiftungsgründung

Zentralrat der Juden ordnet Rabbinerausbildung neu

Ordinationsfeier des Abraham Geiger Kollegs in der Synagoge in Erfurt 2013 (Symbolfoto) Foto: imago stock&people

Eine Neuaufstellung der Ausbildungsstätten für liberale und konservative Rabbiner und Kantoren ist auf den Weg gebracht. Nach Plänen des Zentralrats der Juden in Deutschland soll eine Stiftung die bisherigen Einrichtungen Abraham Geiger Kolleg (AGK) und Zacharias Frankel College (ZFC) ablösen. Das teilte der Zentralrat am Montag in einer gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), der Kultusministerkonferenz (KMK) und dem brandenburgischen Kultusministerium veröffentlichten Erklärung mit.

Man sehe sich »in der Pflicht und Verantwortung«, so die Institutionen, auch künftig »eine auf breite Akzeptanz treffende liberale und konservative Rabbinats- und Kantoratsausbildung für die jüdischen Gemeinden in Deutschland zu sichern.«

Die Allgemeine Rabbinerkonferenz (ARK) und der Jüdische Liberal-Egalitäre Verband (JLEV) begrüßen das neue Stiftungsmodell.

Der Antrag auf Stiftungsgründung beim Innenministerium des Landes Brandenburg sei »auf den Weg gebracht« worden, so der Zentralrat. Die bisherigen staatlichen Zuwendungsgeber BMI, KMK und brandenburgisches Kultusministerium begrüßten den Vorstoß. Dieser sichere »die erforderliche breite Akzeptanz der Absolventinnen und Absolventen einer liberalen und konservativen Rabbinatsausbildung innerhalb der jüdischen Gemeinden in Deutschland.«

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Jüdische Gemeinde zu Berlin hatte Anteile übernommen

Im Januar 2023 hatte die Jüdische Gemeinde zu Berlin überraschend und ohne Mitwirkung des Zentralrats die Gesellschaftsanteile am AGK und am ZFC übernommen. Beide waren ursprünglich von Rabbiner Walter Homolka beziehungsweise der Leo Baeck Foundation als gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet worden. Homolka hatte sich nach massiven Vorwürfen gegen ihn und ehemalige Mitarbeiter 2022 aus der Führung der beiden Einrichtungen zurückgezogen.

Das Zacharias Frankel College lobt die Neuaufstellung.

Das Abraham Geiger Kolleg wurde 1999 als Ausbildungsstätte für Rabbiner und Kantoren der liberalen Strömung im Judentum gegründet. Das Zacharias Frankel College, das gemäß der Tradition der konservativen Masorti-Bewegung aktuell zehn Studierende für das Rabbiner- oder Kantorenamt vorbereitet, existiert seit 2013.

Seit der Übernahme der Geschäftsanteile durch die Berliner Gemeinde ist unklar, wie es mit den beiden Seminaren, die als sogenannte An-Institute der Universität Potsdam firmieren, weitergehen soll. Zwischen dem Zentralrat und der Berliner Gemeinde gibt es seit Längerem ein tiefes Zerwürfnis, das auch Auswirkungen auf die Rabbinerseminare hat.

Der Zentralrat sprach in seiner Mitteilung von einem »in der Vergangenheit entstandenen Vertrauensverlust in die aktuelle Trägerstruktur des Abraham Geiger Kollegs.«

Appell der Studierenden

Deswegen müsse nun eine neue Struktur einer religionsgemeinschaftlichen Stiftung in Trägerschaft des Zentralrats geschaffen werden. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz, der Dachverband der liberalen Rabbiner in Deutschland, habe bestätigt, dass die Jüdische Gemeinde zu Berlin nur wirtschaftliche Trägerin des Abraham Geiger Kollegs sei, so die Erklärung weiter. Als solche verfüge sie jedenfalls in ihrer momentanen Struktur und im Gegensatz zur geplanten Stiftung, über »kein tragbares Ordinationsrecht«. Die letzte Rabbinerordination am AGK fand 2022 statt.

»Wir unterstützen es ausdrücklich, dass der Zentralrat der Juden die Gründung einer von ihm getragenen religionsgemeinschaftlichen Stiftung vorantreibt.«

Die Studierenden des Zacharias Frankel College

Am Zacharias Frankel College, das keine direkten Zuwendungen des Zentralrats oder der öffentlichen Hand erhält, ist die Lage offenbar noch prekärer als am Geiger Kolleg. Erst vergangene Woche hatten die zehn Studierenden am ZFC in einem Offenen Brief vor der drohenden Schließung des einzigen Masorti-Rabbinerseminars in Europa gewarnt, falls sich die Lage nicht schnell verbessere. Seit die Jüdische Gemeinde zu Berlin die Trägerschaft übernommen habe, so der Brief, herrsche »größere Unklarheit als jemals zuvor«. Die Studierenden hatten auch an den Zentralrat appelliert, dass nun dringend Schritte zur Rettung des ZFC unternommen werden müssten.

Mit seinem Stiftungsmodell hat der Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland nun reagiert. Für die Übergangszeit wollen Zentralrat, BMI, die KMK und brandenburgisches Kultusministerium das Abraham Geiger Kolleg jedoch weiter fördern. Der Übergang dürfe nicht zulasten der Studierenden und Beschäftigten gehen, hieß es. Mit Aufnahme der Arbeit der neuen Stiftung werde die öffentliche Förderung für die Rabbinats- sowie Kantoratsausbildung dann aber umgestaltet.

In einer ersten Reaktion zeigten sich zwei Verbände des liberalen Judentums über den Plan zufrieden. Die Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Elisa Klapheck, sagte: »Damit sind die Voraussetzungen für eine qualitativ hochstehende Rabbinatsausbildung gelegt worden, die zugleich an ethischen Maßstäben gemessen wird und ein Studium in angstfreier Atmosphäre gewährleistet. Anders als in der jetzigen Struktur ist damit die notwendige Sicherheit für die Zukunft geschaffen worden, die auch langfristig ein Ordinationsrecht garantiert. Die derzeitig Studierenden können unbesorgt ihr Studium fortsetzen.«

»Die neue Trägerstruktur wird den erforderlichen Aufschwung geben«, betont der Verband JLEV, der das liberale Judentum festigen und weiterentwickeln möchte.

Auch der Jüdische Liberal-Egalitäre Verband (JLEV) zeigte sich zufrieden mit dem Vorhaben des Zentralrats. »Die neue Trägerstruktur wird den erforderlichen Aufschwung geben. Es ist zudem erfreulich, dass auch die öffentlichen Zuwendungsgeber geschlossen hinter der neuen Stiftungsstruktur stehen, denn dadurch steht die Stiftung auf festen Füßen mit Handlungsspielraum«, so der Verband in einer Pressemitteilung. JLEV wurde im vergangenen Jahr mit dem Bestreben gegründet, das liberale Judentum in Deutschland zu festigen und weiterzuentwickeln.

Aus dem Zacharias Frankel College kam ebenfalls eine positive Rückmeldung: »Der entstandene Vertrauensverlust in die aktuelle Trägerstruktur macht zurzeit eine Arbeit im Sinne der Lehre und der Ausbildung neuer Rabbinerinnen und Rabbiner schwierig. Umso wichtiger ist daher das erfolgte Bekenntnis der öffentlichen Zuwendungsgeber zur liberalen und Masorti-Rabbinerausbildung in Potsdam sowie die angekündigte öffentliche Förderung der Stiftung, sobald diese ihre Arbeit aufnimmt.«

Die Studierenden des Zacharias Frankel College unterstützen ebenfalls die geplante Struktur für die Masorti/konservative und liberale Rabbinerausbildung in Potsdam. »Mit Freude und Hoffnung haben wir, die Studierenden des Zacharias Frankel College, die gemeinsame Erklärung des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultus des Landes Brandenburg und der Kultusministerkonferenz wahrgenommen.«

Und weiter: »Wir unterstützen es ausdrücklich, dass der Zentralrat der Juden in Deutschland als größter Zuwendungsgeber der beiden Potsdamer Rabbinerseminare die Gründung einer von ihm getragenen religionsgemeinschaftlichen Stiftung vorantreibt« und die beiden Rabbinerseminare in Potsdam, die bislang erfolgreich Rabbinerinnen und Rabbiner für Deutschland, Europa und die Welt ausgebildet haben, dauerhaft fit für die Zukunft machen wird.     

Berliner Gemeinde: Kein fehlendes Ordinationsrecht

Scharfe Kritik übte hingegen die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Auf Nachfrage dieser Zeitung teilte ein Sprecher mit, man habe mit »großem Erstaunen« die Erklärung des Zentralrats zur Kenntnis genommen und sei empört über die angeblich darin enthaltenen Behauptungen hinsichtlich des fehlenden Ordinationsrechts.

»Uns liegen dazu die Aussagen von zwei der drei Vorstandsmitglieder der ARK vor, die erklären, es habe nie Gespräche bei der ARK bezüglich des Ordinationsrechts durch das Abraham Geiger Kolleg gegeben. Dafür sei man im Übrigen auch gar nicht zuständig«, so der Sprecher. mth

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