Der Schoa-Überlebende Max Mannheimer wurde am 13. Mai mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Dachau geehrt. Dachau –der Ort, in den der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Nautitschein nach Theresienstadt, Auschwitz und vielen anderen Leidensstationen schließlich im August 1944 kam.
Darum weiß auch Dachaus Erster Bürgermeister Peter Bürgel: »Nach Dachau sind Sie zum ersten Mal als grausam misshandelter KZ-Häftling gekommen«, sagt er in seiner Laudatio auf den zwölften Ehrenbürger der Stadt seit 1856.
Er dankt dem »Brückenbauer« Mannheimer, als welchen er ihn in seiner Rede mehrfach bezeichnet, für sein Engagement: Um seine Leistungen zu würdigen, »darf man an den schrecklichen Erfahrungen, durch die Sie gegangen sind, nicht vorbeisehen, denn erst der Blick darauf macht ja klar, welche emotionale Spannweite und welche Abgründe hier überbrückt werden.«
Malerei Mannheimer war nach der Befreiung in seine Heimatstadt zurückgekehrt, wollte nie wieder nach Deutschland. Mit seiner zweiten Frau Elfriede, einer engagierten Nazigegnerin und Sozialdemokratin, die später lange Jahre im Münchner Stadtrat aktiv war, und der kleinen Tochter zog er dann doch 1946 nach München. Von seiner Familie hatten nur er und ein Bruder die Schoa überlebt.
Die Vergangenheit belastete. Wie viele Überlebende schwieg auch Max Mannheimer über die Vergangenheit, versuchte, sie zu verdrängen. Die Malerei half ihm dabei. Unter dem Pseudonym ben jakov hat er sich einen Namen gemacht.
Erst nach dem Tod seiner Frau 1964 schrieb Mannheimer seine Erlebnisse und das Schicksal seiner Familie ín der Zeit des Nazi-Terrors nieder. Seine Tochter Eva sollte das alles später einmal wissen. 1985 wurden die Aufzeichnungen in den Dachauer Heften veröffentlicht.
Damit begann sein Weg als Zeitzeuge, auf dem, wie Bürgel sagte, »Sie bis heute eine kaum noch zu zählende Zahl von Stationen zurückgelegt haben – immer mit derselbene Botschaft der Toleranz und Versöhnung«. So wirkt er seit mehr als einem Vierteljahrhunert »als Zeitzeuge des Holocaust und der KZ-Verbrechen in Dachau und an unzähligen anderen Orten«. Immer habe er dabei aber den Dialog gesucht.
So hat Max Mannheimer auch dazu beigetragen, »dass Dachau heute als international bedeutender Ort des Erinnerns und Gedenkens wahrgenommen wird«, betonte Bürgel. Mannheimer sei so zu einem Freund der Stadt geworden.
Er komme nicht als Richter oder Ankläger, sondern als Zeitzeuge, der erklärt, dass die Menschen heute Verantwortung für ein »Nie wieder« tragen. Es habe lange gedauert, bis die deutsche Gesellschaft bereit war, Zeitzeugen zuzuhören. Dieses Brückenbauen durch Max Mannheimer würdigte der Stadtrat der Großen Kreisstadt Dachau mit der seltenen Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Max Mannheimer. Es ist die höchste Auszeichnung, die von der Stadt verliehen werden kann.
Dankbar Und wie reagiert der bereits mit vielen Ehrungen Ausgezeichnete? »Ich freue mich sehr darüber und ich bin dafür ganz besonders dankbar, weil die Ehrung nicht mir allein gelten kann«, unterstrich Max Mannheimer in seinen Dankesworten bei dem Festakt. Neben der Anerkennung seines Wirkens »sehe ich mich geehrt gleichsam stellvertretend für alle ehemaligen Dachau-Häftlinge«. Mehr als diese Ehrung könne es nicht mehr geben.
In den dunklen Jahren des Naziterrors sei Dachau ein Ort der Unfreiheit gewesen, ein Ort des Sterbens, der Geschundenen, der ständigen Angst. Werte wie Menschlichkeit und Nächstenliebe galten nicht mehr. »Die Erinnerungen an diese Zeit sind in meinem Leben immer präsent, als ob sie erst gestern geschehen wären. Umso dankbarer bin ich, dass aus dem Ort der Schrecken für mich inzwischen ein Ort der Freundschaft geworden ist.«
Lernen Er erinnerte aber auch an das Dilemma, in dem sich die Stadt Dachau lange Zeit befand: Es habe zwei Positionen gegeben: Leiden an der Geschichte oder Lernen aus der Geschichte. Verdrängen oder Nachdenken. Und er fuhr fort: »Heute wird Dachau als ein Ort des Lernens, des intensiven Erinnerns, als ein Ort der Begegnung von Menschen aus aller Welt wahrgenommen. Heute kooperieren die Stadt und die Gedenkstätte partnerschaftlich und verstehen sich gegenseitig als Lern- und Erinnerungsort.«
Dass dies heute so ist, dazu hat Max Mannheimer viel beigetragen. Die hohe Auszeichnung bestätigt auch dies. Dass aber auch der Stadt Dachau durch die Annahme der Ehrenbürgerwürde Positives widerfahren ist, sagte Präsidentin Charlotte Knobloch: »Es ist auch eine Ehre, die Max Mannheimer der Stadt schenkt.« Helmut Zeller ergänzt dies in der Süddeutschen Zeitung, dass dies Dachau einmal als größtes Geschenk verstehen werde.
Begegnung Zum Abschluss der offiziellen Feierstunde brachte es Max Mannheimer auf den Punkt, wie die Aufklärungsarbeit weitergehen muss: »Wir Überleben- den hinterlassen ein sehr präszises Vermächtnis: Nie wieder! Wir Zeitzeugen werden bald für immer verstummen. Meine Kernbotschaft lautet deshalb: Vergesst nicht und erinnert euch! Zieht die Lehren aus der Vergangenheit! Tretet aktiv ein für Freiheit, Demokratie, Menschenwürde!«
Ausdrücklich dankte er dem Dachauer Bürgermeister und dem Stadtrat. Er ermutigte sie, weiter den Weg der Begegnung und des Dialogs zu beschreiten, den Weg gegenseitiger Verständnis- und Vertrauensbildung weiterzugehen.
Was ihn selbst betrifft, gab Max Mannheimer den Dachauern zum Abschluss seiner Dankesrede auch ein Versprechen: »Die Ehrenbürgerschaft entspricht auch einer Pflicht, die ich gerne auf mich nehme. Was immer in meinen Möglichkeiten steht, will ich tun, um den guten Ruf der Stadt zu stärken.«