Als Semjon Kleyman, der Vorsitzende des Klubs der Veteranen, ans Mikrofon tritt, ist es sehr still auf dem Vorplatz des Jüdischen Friedhofs Heerstraße in Berlin-Charlottenburg. Vor Kleyman sitzen neben Gemeinderepräsentanten und Gästen aus der Berliner Politik und Gesellschaft etwa 60 Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Viele von ihnen kämpften in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Österreich. Blutjung meldeten sie sich zum Dienst an der Front, schlossen sich Partisanen an, befreiten Konzentrationslager.
Es gibt niemanden unter ihnen, der – wie Festredner Kleyman – keine Angehörigen in der Schoa verlor: Eltern, Geschwister, Freunde. Trotzdem entschieden sie sich in den 90er-Jahren für ein Leben in Deutschland. Nun ehrte sie die Jüdische Gemeinde zu Berlin mit einem Denkmal – eine Idee, die Kleymans Vorgänger Jakov Reznik vor vielen Jahren an den Vorstand herantrug und die sein Nachfolger weiterführte.
dank »Dieses Denkmal ist ein Zeichen dafür, dass nichts und niemand vergessen wird – es steht für die Tragödie des jüdischen Volkes im Zweiten Weltkrieg und dafür, was die jüdischen Soldaten alles geleistet haben«, sagte Kleyman. Der 90-Jährige erinnerte daran, dass etwa 1,5 Millionen Juden ihr Leben im Kampf gegen die Nazis riskierten – in den Reihen der Alliierten, als Partisanen und im Widerstand – und 250.000 jüdische Kämpfer auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs starben.
»Am 8. Mai vor 72 Jahren wurde Berlin von der Roten Armee befreit. Viele Mitglieder unserer Gemeinde haben in dieser Armee gekämpft – wir alle leben heute dank Ihres Einsatzes«, sagte Gideon Joffe, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Das Denkmal – sieben einzelne an eine Menora erinnernde Marmorstelen – sei den jüdischen Veteranen gewidmet, die in Berlin leben oder nach der Zuwanderung aus der früheren Sowjetunion hier in den vergangenen Jahren ihre letzte Ruhestätte fanden.
»Wir werden nie vergessen, was Sie getan haben, damit wir heute als freie Menschen hier leben können«, sagte Joffe an die etwa 60 anwesenden Veteranen gewandt, darunter ehemalige Rotarmisten, Partisanen sowie Überlebende der Ghettos und der Leningrader Blockade. »Auf ewig sind wir den Veteranen dankbar – diese Dankbarkeit werden wir auch den nachfolgenden Generationen weitervermitteln«, versprach der Berliner Gemeindechef.
inschrift Sichtlich bewegt und stolz drängten sich die Veteranen – viele von ihnen hatten feierlich ihre Orden und Medaillen angelegt – um das Denkmal mit der dreisprachigen Inschrift auf Russisch, Deutsch und Hebräisch. »Heute ist ein großer Tag für uns«, sagte Bella Levina. »Es ist ein wirklich würdiges Denkmal«, findet die 89-Jährige. Denn es zeige »die Wertschätzung der Gemeinde«.
Genau das hatte der Künstler Maxim Krioukov mit den Stelen ausdrücken wollen. »Auch meine Angehörigen und ich verdanken Ihnen unser Leben«, sagte der 30-jährige Architekt, der im Jahr 2000 mit seiner Familie aus Moskau zuwanderte, in einer spontanen Ansprache. Der Auftrag sei »eine echte Herausforderung« gewesen, denn »diese Menschen sind noch viel großartiger, als ein Denkmal es jemals ausdrücken könnte«.
konzept Das Design greift laut Krioukov verschiedene Aspekte auf. Zum einen vermittle es »Sicherheit und Geborgenheit«, zum anderen symbolisieren die einzelnen Stelen »Menschen, die ihre Gesichter hoffnungsvoll gen Himmel richten, dabei zugleich als schützender Schild fest in der Erde wurzeln und diejenigen behüten, die sie lieben«, beschreibt der Künstler sein Konzept. Eine frühere Gedenktafel war zuvor rituell beerdigt worden.
Nach der Enthüllung der Stelen legten Vertreter der Gemeinde und des Landes Berlin, darunter die Fraktionen der CDU und der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus, Kränze nieder. Das Kaddisch sprach Rabbiner Yitshak Ehrenberg, das El Male Rachamim sang Kantor Arie Zaloshinsky.