Chanukka, das Fest der Besinnung und Hoffnung, hatte die jüdische Gemeinde eine Woche lang fest im Griff – und das in rundum positivem Sinn. Überall wurde gefeiert: in der Synagoge, im Gemeindezentrum und in allen Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, am Sonntagabend auf dem Jakobsplatz mit dem öffentlichen Entzünden des achten Lichtes – und sogar auf dem Eis.
Das Fest gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde vor der Kulisse von Synagoge und IKG-Gemeindezentrum im Herzen der Stadt zu begehen, ist zu einem festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden. Hunderte Münchner unterschiedlichster Herkunft und Nationalität blickten auch dieses Jahr wieder auf die nur per Hebebühne erreichbare Chanukkia, einen der größten Leuchter Europas. Beim festlichen Treiben rundherum führte Rabbiner Israel Diskin von Chabad Lubawitsch die Regie.
konzert Bereits vor der öffentlichen Feier auf dem Jakobsplatz hatte Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman am Sonntagnachmittag in der Ohel-Jakob-Synagoge zahlreiche Gemeindemitglieder zum Chanukka-Konzert begrüßt – ein Erlebnis in mehrfacher Hinsicht. Zum einen für Jungkantor Saar Sperling, der sich freute, das achte Chanukkalicht in der Synagoge entzünden zu dürfen; zum anderen für die Besucher, die ein festliches Konzert erleben durften. Mitwirkende waren der Kinderchor Hasamir vom Jugendzentrum Neshama unter der Leitung von Luisa Pertsovska, der Chor Druschba-Chaverut (Leitung: Tamara Umanskaya) und der Synagogenchor Schma Kaulenu unter der Leitung von David Rees.
Während der ganzen Woche schon war Chanukka in allen Einrichtungen der IKG ein Thema, in der Kita, im Kindergarten, der Sinai-Schule und im Gymnasium, wo man sich auf unterschiedliche Weise dem Hintergrund und Sinn des Lichterfestes annäherte. An den Geist, der von dem Wunder aus der Makkabäerzeit ausgeht und von Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen auch in schwierigsten Zeiten erzählt, erinnerte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch bei der Feier auf dem Jakobsplatz am Sonntagabend. »Das Wunder von damals ist bis heute ein Zeichen der Hoffnung geblieben«, erklärte sie.
solidarität Als Zeichen der Solidarität und Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft waren verschiedene Repräsentanten des öffentlichen Lebens erschienen. Ludwig Spaenle, der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, gehörte dazu. Charlotte Knobloch wies darauf hin, dass sein Titel an erster Stelle den Beauftragten »für jüdisches Leben« und erst an zweiter Stelle den »gegen Antisemitismus« erwähne. »Dieses Signal«, sagte sie, »ist und bleibt in diesen schwierigen Zeiten für uns überaus wichtig.«
Zu den IKG-Vorstandsmitgliedern, die zur Chanukkafeier auf den Jakobsplatz gekommen waren, zählte Marian Offman, der auch in seiner Funktion als Stadtrat und in Vertretung des Oberbürgermeisters erschien. Einen »transatlantischen« Aspekt bekam das Lichterfest durch Meghan Gregonis, US-Generalkonsulin in München. Viele von denen, die am Sonntag Chanukka feierten, waren fast auf den Tag genau ein halbes Jahr zuvor, am 8. Juni, schon einmal hierhergekommen – damals waren sie dem Aufruf des Oberbürgermeisters zu einer Demonstration gegen Judenhass gefolgt.
Noch sechs Monate später musste die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde fassungslos feststellen: »Dass so eine Veranstaltung hier in München, in meiner Heimat, noch einmal notwendig werden würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.« Im Schein der Lichter von Chanukka sei dies eine sehr traurige Erkenntnis.
Jüdisches Leben in
Deutschland ist
noch weit von
Normalität entfernt.
Und es sei auch eine ernüchternde Erkenntnis an diesem achten Tag von Chanukka. »Wir leben in einer Gesellschaft, in der Judenhass wieder auf dem Vormarsch ist«, lautete Knoblochs knappes Resümee. Dabei ließ sie die Zukunft nicht aus den Augen. »Es bleibt unser Ziel und unsere Hoffnung«, sagte sie, »dass jüdisches Leben in München und Deutschland eines Tages jene Normalität erlangt, die es eigentlich haben müsste. Leider sind wir von dieser Normalität weit entfernt.«
herausforderung Der wachsende Antisemitismus ist nach Überzeugung der IKG-Präsidentin sowohl Folge als auch Symptom einer größeren und umfassenderen Herausforderung, der sich alle stellen müssten, egal ob sie jüdisch oder nichtjüdisch seien. Sie sprach in diesem Zusammenhang auch eine Umfrage unter in Europa lebenden Juden an, in der jeder vierte Befragte in Erwägung zog, wegen des zunehmenden Antisemitismus das Land zu verlassen.
»Das muss uns zu denken geben«, betonte Charlotte Knobloch. Sie sprach in diesem Zusammenhang auch ganz direkt das Erstarken der AfD an. Die rechte Partei, die alles andere als eine politische Alternative darstelle, sei inzwischen im Bundestag und allen Länderparlamenten vertreten und habe dadurch eine politische Bühne für Beleidigungen und Lügen erhalten. Und sie sei dabei, den demokratischen Konsens der Parlamente auszuhöhlen, warnte die IKG-Präsidentin.
toleranz Mit Blick auf die vielen Menschen, die auf den Jakobsplatz gekommen waren, sprach sie aber auch von Hoffnung. Wichtig sei ihr, dass eine präzise Beschreibung des Problems auf keinen Fall zu Schwarzmalerei verleiten dürfe. Die große Zahl der Anwesenden, so Charlotte Knobloch, zeige, dass der überwältigende Teil der Gesellschaft Freiheit, Offenheit und Toleranz schätze und verteidige. Die IKG-Präsidentin sagte: »Das kann, das muss uns Mut machen, genau wie unser Lichterfest selbst.« Knobloch bedankte sich auch bei dem Schöpfer des Chanukkaleuchters, dem Künstler Gershom von Schwarze, sowie der Stifterin Tita Korytowski im Gedenken an ihren verstorbenen Ehemann Manfred Korytowski sel. A.