Zu den Merkmalen von Kunst gehört die Überwindung von Zeit und Raum. Bei der Bildhauerin Susanne Rosenberg gehörte die Auslotung der Materie – ob in Form von Eisenguss oder Papier – bis an die Grenze der Bearbeitbarkeit dazu. Stärke und Zerbrechlichkeit charakterisierten den Lebens- und Berufsweg der 1959 in München geborenen Tochter von Schoa-Überlebenden. Alles war den Eltern genommen worden, so sollten die vier Töchter etwas Ordentliches lernen. Bei Susanne, die sich lieber Susi nannte, war es Anfang der 80er-Jahre die Goldschmiedekunst.
Doch der Umgang mit Materialien, die kleine, feine Schmuckstücke ergaben, genügte ihr nicht. 1985 begann sie ein Studium an der Hochschule für Gestaltung Pforzheim, das sie 1988 an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg fortsetzte. Lehraufträge in Nürnberg und an der Universität von Oregon unterstrichen ihre Bereitschaft, ihr Wissen mit Studierenden zu teilen. Aber im Grunde war sie eine Einzelgängerin, ganz ihrer Suche nach der Grenze von Materialität und Erklärungen für das Menschheitsverbrechen Schoa verpflichtet.
Konzept Schon in ihrer ersten Ausstellung 1992 in Dorfen taucht der Begriff »Lehnung« auf, ein Konzept, dass sie über Jahre weiterverfolgen sollte: die Wiederholung von Elementen, die raumgreifend im freien Gelände ihre Wirkung entfalteten. Es entwickelten sich daraus Themenkomplexe wie »Bogen« und »Weg«, kennzeichnend für die nach Wegen und Verbindungen suchende Susi Rosenberg.
Große Kunst äußert sich auch in Alleinstellungsmerkmalen. Bei Susi Rosenberg waren es aufregende Paradoxien wie »Bewegung in Ruhe« und die Auslotung von Materie. Sie nannte sich lieber Skulptorin als Bildhauerin, eignete sich das Wissen eines Werkzeugmachers, eines Schmieds, eines Ingenieurs, ja, auch eines Architekten an, um in Beton, Gusseisen und Papier Objekte zu kreieren, die die Gesetze der Physik zu überwinden schienen.
Ihre gefalteten, wie Plissee anmutenden Modelle in Eisen, so lange bearbeitet, bis sie eine warme rostig rote Patina aufwiesen, eröffnen je nach Blickwinkel überraschende Perspektiven – wenn man etwa im vermeintlich leeren Raum auf einmal die Form eines Davidsterns erahnt. Ihre Serien von Schneidungen in Papier, die an Meditationen erinnern, duldeten keinen Fehler. Jeder Schnitt von Bogen zu Bogen tiefer oder weiter geführt, musste sitzen. 2014 waren ihre Arbeiten zuletzt in der renommierten Galerie Hasenclever zu sehen.
Herzensprojekt In den letzten Jahren kam noch das Medium Fotografie hinzu. Es war ein Experimentierfeld, das Susi Rosenberg nicht mehr voll ausloten konnte. Ebenso wenig wie es der am 9. März Verstorbenen möglich war, ihr Herzensprojekt aus den Jahren 2012 und 2013 doch noch zu realisieren: das einem alten Kinderspiel nachempfundene Projekt »Himmel und Hölle« im JamnitzerPark von Nürnberg.
Ganz in der Nähe hatte sich einst die jüdische Volks- und Berufsschule befunden, und rundherum leben heute Kinder aus vielen unterschiedlichen Ethnien.