Frankfurt/Main

Wo Ignatz Bubis fortlebt

Das Ignatz Bubis-Gemeindezentrum in Frankfurt ist nicht nur ein großes Gebäude, es ist auch ein Ort für große Gefühle. Das bestätigt sich beim Festakt anlässlich von »25 Jahren Jüdisches Gemeindezentrum« am 4. Dezember. Salomon Korn, Architekt des Gebäudes und als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde eher als Freund distanziert-intellektuellen Auftretens bekannt, kann seine Tränen kaum zurückhalten, als er an die Entstehungsgeschichte des Hauses erinnert: »Mit diesem Bau ist ein Wunschtraum von Ignatz Bubis sel. A. in Erfüllung gegangen«, sagt er.

Aller Kritik und aller Skepsis zum Trotz habe Bubis jahrzehntelang dafür gekämpft, das provisorische Gemeindezentrum in einen ebenso dauerhaften wie repräsentativen Hort jüdischen Selbstbewusstseins in Deutschland zu verwandeln. »Wer ein Haus baut, will bleiben«, zitiert Korn aus seiner eigenen Rede, die er am 14. September 1986 bei der Eröffnung des Gemeindezentrums gehalten hatte.

Anliegen »Bubis hat den Bau unseres Zentrums zu seiner persönlichen Sache gemacht, fuhr selbst nach Italien, um die besten Preise für Baumaterialien auszuhandeln«, sagte Korn. Regelrecht besessen sei ihr Mann von der Idee des Gemeindezentrums gewesen, bestätigt auch Ida Bubis, die Witwe des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden. »Gemeinsam mit Herrn Korn sind wir nach Mailand gefahren, um dort Stühle fürs Gemeindezentrum zu kaufen«, erzählt sie. Die Stühle für die eigene Wohnung musste sie allein besorgen. »Bei meinem Mann stand die Gemeinde immer an erster Stelle.« Das ging auch zulasten der Familie. Aber darüber grämt sich Ida Bubis nicht: »Ich habe meinem Mann seine Erfolge gegönnt und mich mit ihm gefreut.«

Geehrt wurde dieses Engagement schon bald. Bereits auf »dem Rückflug von seiner Beerdigung haben wir beschlossen, das Gemeindezentrum nach ihm zu benennen«, erinnert sich Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, in seiner Rede. »Wir mussten gar nicht viel darüber reden. Jeder von uns wusste: ›Ja, so ist es richtig, so muss es sein.‹«

Lebendig Schließlich sei die Bedeutung des Gebäudes an der Savignystraße 66 nicht hoch genug einzuschätzen: »Es ist eine Stein gewordene Botschaft, die ins ganze Land hinein strahlt«, sagt Graumann. Anfangs noch als »gigantomanisch« verschrien, hätten die Zuwanderer aus den Ländern der GUS das Gemeindezentrum »sehr schnell mit Leben gefüllt«. Heute beherbergt das Gemeindezentrum nicht nur erste Klassen der Lichtigfeld-Schule, den Westendkindergarten und eine Krabbelstube, sondern auch das Jugendzentrum, den Seniorenklub und das glatt koschere Restaurant Sohar’s.

Doch nicht nur Juden nutzen und besuchen das Gebäude. »Unser Zentrum ist auch eine Brücke nach außen und verbindet Kulturen«, betont Graumann und verweist auf den jährlichen WIZO-Basar und die »vielen hochkarätig besetzten« Lesungen, die sehr viele Nichtjuden ins Gemeindezentrum locken. »In den vergangenen 25 Jahren ist die Jüdische Gemeinde ein Teil Frankfurts geworden«, resümiert Salomon Korn. »Und das Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum ist der Katalysator dieser Entwicklung gewesen.«

Dem stimmen auch Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth und Hessens Innenminister Boris Rhein zu. »Der Bau des Gemeindezentrums und der Wille zu bleiben, sind das größte und unverhoffteste Geschenk, das Sie uns machen konnten«, richtet Rhein seine Worte an die Gemeindemitglieder. Und weil er »mit diesem Geschenk sorgsam umgehen« wolle, fordert Rhein ein Verbot der »abstoßenden« NPD. »Wir wollen diese Partei nicht in den Parlamenten«, betont Zentralratspräsident Dieter Graumann. Er kritisiert jedes zögerliche Vorgehen bei einem NPD-Verbot.

Geschenk Petra Roth hat zur Feierstunde ein besonderes Geburtstagsgeschenk dabei: das Versprechen, dass die Umgestaltung des Vorplatzes der Westend-Synagoge im nächsten Jahr nun endgültig vom Stadtparlament abgesegnet und dann stracks umgesetzt werde.

Sowohl das politische Leben von Boris Rhein als auch das von Petra Roth sind eng mit der Person Ignatz Bubis’ verwoben. Dem Nachwuchspolitiker Rhein sprang Bubis Mitte der 90er-Jahre einmal in einer Podiumsdiskussion bei, als die Stimmung im Saal zu kippen drohte. Die unverhoffte Rückendeckung half Rhein, den Schlamassel halbwegs unbeschadet zu überstehen. Petra Roth wiederum hatte 1987 als angehende Frankfurter CDU-Landtagsabgeordnete vollkommen überraschend eine Einladung zu Bubis’ 60. Geburtstag erhalten – der Beginn einer langjährigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Ohne Ignatz Bubis wäre 1986 sicherlich kein jüdisches Gemeindezentrum eröffnet worden. Kein Wunder also, dass die Feier auch zu einer würdigen Gedenkveranstaltung für den wortgewaltigen Streiter gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gerät. »All meine Erinnerungen kommen wieder hoch«, gesteht Ida Bubis leise zum Abschied, »es ist für mich ein sehr bewegender Tag.«

Frankfurt/Main

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