Herr Palenker, aus Berlin kommen dramatische Nachrichten. Medien berichten, die Jüdische Gemeinde stehe kurz vor der Insolvenz. Stimmt das?
Das ist etwas überspitzt dargestellt worden. Was uns derzeit droht, ist eine bilanzielle Überschuldung. Das bedeutet aber nicht, dass wir zahlungsunfähig sind. Die Kassen sind nicht vollkommen leer. Nur: Es besteht in der Tat Handlungsbedarf. Sonst könnte es passieren, dass das Land Berlin seine finanziellen Zuwendungen einschränkt oder gar einstellt. Das würde dann tatsächlich eine Zahlungsunfähigkeit bedeuten. Mit den vom Vorstand vorgeschlagenen Maßnahmen könnten wir das noch verhindern. Ich gehe davon aus, dass die Repräsentanten das genauso sehen. Ein einfacher Beschluss reicht aus, um die dramatische Lage zu entschärfen.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen?
Die Gemeinde hat jahrelang eine überhöhte betriebliche Altersversorgung an ehemalige Beschäftigte gezahlt und auch den aktiven Mitarbeitern derartige Leistungen zugesagt.
Sollen die jetzt rigoros gestrichen werden?
Für die bereits in Rente befindlichen ehemaligen Mitarbeiter wird sich nichts ändern. Aber wir müssen die künftige Altersvorsorge der noch Aktiven kürzen. Unsere Angestellten dürfen nicht besser gestellt sein als die Beschäftigten des Landes Berlin.
Um das umsetzen zu können, brauchen Sie eine politische Mehrheit. Die fehlte Ihnen aber vergangene Woche.
Zumindest hatten wir nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Immerhin haben bereits elf der 21 Repräsentanten für die Einschnitte gestimmt. Einige Gemeindevertreter waren nicht anwesend, fünf haben sich enthalten. Wir werden unsere Sparpläne deshalb erneut zur Abstimmung bringen. Bis dahin nutzen wir die kommenden Wochen, um mit dem Vertrauensrat, also der Mitarbeitervertretung, weitere Gespräche zu führen. Und wir werden verschiedene Modelle für eine Härtefallregelung diskutieren, um auch die noch unentschlossenen Repräsentanten zu überzeugen.
Die Gemeinde will sich beim Landesrechnungshof eine Überschuldung bescheinigen lassen. Warum?
Die Versorgungsordnung regelt, dass wir in die vereinbarten Leistungen eingreifen können, wenn eine wirtschaftliche Zwangslage attestiert wird. Der entsprechende Antrag soll diese Woche auf den Weg gebracht werden.
Kann eine Religionsgemeinschaft überhaupt Insolvenz anmelden?
Im klassischen Sinne nicht, aber das scheint ein Rechtsgebiet ohne Präzedenzfälle zu sein. Aber sicherlich wird es keinen staatlichen Zwangsverwalter geben. Und eines muss nochmals betont werden: Es ist nicht so, dass wir kein Geld mehr haben. Jedoch befinden wir uns derzeit in einer Situation, in der es um die wirtschaftliche Prognose schlecht bestellt ist. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass unsere Gemeinde, die bald 340 Jahre alt wird, auch noch die nächsten 340 Jahre bestehen kann.
Mit dem Finanzdezernenten der Berliner Gemeinde sprach Detlef David Kauschke.