Erfurt

Wirbelnde Rockzipfel

Nach 200 Umdrehungen noch voll im Takt: der Derwisch Foto: PR

Der Derwisch tanzt zur Klezmer-Klarinette. Die Orgel flirtet mit der Neyflöte, und die Bouzouki palavert mit dem Kontrabass. Das alles passiert in der evangelischen Lutherkirche Erfurt unter Leitung des Klezmer-Quartetts Noisten aus Wuppertal.

Caroline Fischer, Managerin der 25. Thüringer Tage der jüdisch-israelischen Kultur, hatte Sorge, dass das Thüringer Publikum in Gera und Erfurt dieses Konzert möglicherweise nicht annehmen würde. Vollkommen zu Unrecht, denn es gab jubelnden Applaus und stehende Ovationen.

»Klezmer trifft Derwisch trifft Orgel« war ein Konzert der Extraklasse. Der jüdisch-islamisch-christliche Trialog ist den Musikern perfekt gelungen. Das Publikum dankte für diesen Abend und fühlte sich noch auf dem Heimweg beschwingt.

Derwisch Bei diesem Konzert dominierte die leichte Form des Klezmer. Schwermütige und melancholische »Musik für die Seele« gab es hier nicht, dafür aber beispielsweise den »Tanz Jerusalem«. Die Idee für diese Komposition ist schnell erzählt: Ein Rabbi, ein Imam und ein Pfarrer treffen sich in Jerusalem. Nein, sie diskutieren nicht – sie tanzen. Und wollen gar nicht mehr aufhören, erklärt der künstlerische Leiter Reinald Noisten die neue Komposition.

Die ist denn auch sehr beschwingt. Bassklarinette (Rainald Noisten) und Orgel (Robert Mäuser) spielen sich Fragen und Antworten zu – auf leichte und gekonnte Weise. Und der Derwisch (Talip Elmasulu) tanzt dazu. 200-mal dreht er sich zum Gesang des Neyflötisten Murat Cakmaz und zu der Percussion von Shan-Devakuruparanum die eigene Achse.

Letzterer schlägt selbst aus der Schale einer Kokosnuss jubelnde Töne heraus. Und abrupt steht der Derwisch still und verbeugt sich, als die Musik – eine Mischung aus Klezmer, Sufi und Bach – verstummt. Kein Schwindel, nicht einmal ein Wackler. Da braucht es wohl eine ungeheure Fähigkeit zur Meditation und Körperbeherrschung.

Weltreligionen
Die Künstler, die gemeinsam die Musik der drei monotheistischen Weltreligionen auf die Bühne bringen, sind das erste Mal während der jüdisch-israelischen Kulturtage in Thüringen zu Gast. Und sie sind sichtlich angetan von einem Publikum, das den Klezmer seit Jahren schätzt und deshalb längst bereit ist für Experimente.

Denn statt der traditionellen Klezmer-Instrumente spielen hier neben der Klarinette auch die Bouzouki und die Gitarre (Claus Schmidt) sowie der Kontrabass (Andreas Kneip). Dafür gab es weder Akkordeon noch Geige. Das Publikum in Thüringen folgt dem Experiment in Gera und Erfurt ebenso enthusiastisch wie fröhlich.

Die Idee, Künstler in der Lutherkirche das Einigende in den Religionen spielen zu lassen, ohne Dissonanzen gänzlich zu umgehen, ist aufgegangen. Das Klezmer-Quartett und seine Gäste wird höchst wahrscheinlich erneut von den Organisatoren der jüdisch-israelischen Musiktage eingeladen werden. Die 25. Jüdisch-Israelischen Kulturtage in Thüringen gehen am 18. November mit einem Klezmer-Konzert rund um den Geiger Johannes Paul Grässer zu Ende.

www. Juedische-kulturtage-thueringen.de

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024