Gemeinde

»Wir werden noch stärker«

Zentrum jüdischen Lebens: das Gemeindehaus am Jakobsplatz Foto: Marina Maisel

Es war eine sehr lebendige und interessante Versammlung. Ich freue mich über die getroffenen Beschlüsse und Vereinbarungen und hoffe, dass wir im nächsten Jahr über deren erfolgreiche Realisierung berichten können.» Mit diesen Worten dankte Präsidentin Charlotte Knobloch im Namen des gesamten Vorstandes der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern allen Anwesenden bei der Mitgliederversammlung im Dezember vergangenen Jahres. Nach dem Gedenken an die Verstorbenen des abgelaufenen Kalenderjahres widmete sich die Präsidentin zunächst der schwierigen politischen Situation, die «für uns – die jüdische Gemeinschaft – nicht leicht zu ertragen war».

Sie sprach das staatliche Versagen bei den Ermittlungen gegen den rechtsextremen Terror an, aber auch die erst kürzlich bekannt gewordenen Fehler rund um das Olympia-Attentat 1972.
«Ich muss gestehen, dass mein bislang unerschütterliches Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat und das verantwortungsbewusste Denken und Handeln der Politik und Sicherheitsbehörden in diesem Jahr an die Grenze seiner Belastbarkeit geraten ist. Ich hoffe, dass es nun wenigstens gelingen wird, die NPD zu verbieten», sagte die Präsidentin.

politik Über den Rechtsextremismus und entsprechende Kundgebungen, über die immer wieder erst Gerichte entscheiden, berichtete später Vorstandsmitglied und Stadtrat Marian Offman. Durch die zeitlich knappen Gerichtsentscheidungen, so führte dieser aus, könne über Gegendemonstrationen stets nur kurzfristig gehandelt und benachrichtigt werden. Die Versammlung war sich einig, dass hierzu eine entsprechende Hotline vorhanden sein müsse. Das Internet sei da nur eine Möglichkeit.

Der Antisemitsmus entwickele sich zu einem handfesten Problem bis hin zu tätlichen Angriffen wie in Berlin, sagte Charlotte Knobloch weiter. «Bei entsprechender Themenlage ist es möglich, einen bemerkenswerten Anteil in der breiten Mitte der Bevölkerung judenfeindlich einzustimmen. Und leider war in diesem Jahr die Themenlage entsprechend.»

Israel reflexartig und irrational zu kritisieren, gelte weitläufig als intellektueller Standard. Die Beschneidungsdebatte habe die jüdische Gemeinschaft erstmals seit 1945 wieder mit existenziellen Fragestellungen konfrontiert. Als positiv hob die Präsidentin den Rückhalt durch die politische Klasse hervor, insbesondere die Haltung der Bundeskanzlerin Angela Merkel: «Das war eine gute Erfahrung. Aber die fehlende Solidarität im Volk hat Fragen aufgeworfen, die zunächst offen bleiben.»

Ein einseitiges Stimmungsbild in den deutschen Medien und der Bevölkerung kritisierte die Präsidentin auch mit Blick auf Israel und die jüngste Eskalation im Nahostkonflikt, welche «erneut die hässliche Fratze des Terrors offenbart – in all ihren Dimensionen – und in ganz neuem Ausmaß». Sie forderte: «Die Staatengemeinschaft muss sich den Fanatikern der Hamas und dem Mullah-Regime in Iran viel eindeutiger und ultimativer entgegenstellen.»

Projekte Dann warf die Präsidentin in ihrer Rede den Blick auf die Belange der IKG und deren aktuelle Großprojekte, die Kindertagesstätte und das betreute Wohnen. Für all das Erreichte dankte Knobloch den «großartigen Mitarbeitern» der IKG für ihr Engagement: «Ihnen allen gelten meine hohe Anerkennung und mein hoher Respekt.» Allen voran nannte sie Geschäftsführer Chil Rackowski, der dafür sorge, «dass Finanzkrise in unserer Gemeinde ein Fremdwort bleibt». Weil «jede Gemeinde eine kluge und leistungsstarke Truppe an der Spitze» braucht, «gilt der größte Dank meinen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand. Sie engagieren sich – das kann man nicht oft genug betonen – ehrenamtlich und unermüdlich dafür, dass wir Ihnen, verehrte Mitglieder, eine stabile und zukunftsfeste Infrastruktur gewährleisten können».

Um den Service und den Kontakt von Vorstand und Gemeindemitgliedern weiter zu verbessern, soll bald schon eine Ombudsfrau aktiv werden, kündigte die Präsidentin an. Wie umfangreich die Aufgaben sind, wurde aus Knoblochs Dank an die einzelnen Abteilungen von Kultur, Jugend und Sozialem bis zum kaum bemerkten «aufopferungsvollen und liebevollen» Einsatz der Chevra Kadischa deutlich.

Nicht ohne Stolz verkündetete Charlotte Knobloch, dass die unangemeldete Überprüfung der Betreuungs- und Pflegetätigkeit im Saul-Eisenberg-Seniorenheim durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen zum dritten Mal in Folge für «das großartige Team um Jennifer Krusche in allen Disziplinen eine 1,0 erhalten» hat.

Studenten Gratulieren konnte sie dem neu gewählten Vorstand des Verbands jüdischer Studenten in Bayern, einem «wichtigen Glied in unserer Gemeinschaft. Hier wächst die neue jüdische Elite unseres Landes heran». Ihre Pläne stellten die Studierenden anschließend selbst vor. Eine ausführliche Diskussion entspann sich im Verlauf der Mitgliederversammlung über die notwendig gewordenen neuen Räume für die ZJD und die Höhe des Zuschusses an den Sportverein Maccabi. Bei Letzterem konnte eine Kürzung der Mittel vermieden werden. Für die Jugendlichen wurde eine befristete Übergangslösung geschaffen.

Der Gemeindehaushalt, das betonte Finanzreferent Abi Pitum, steht durch sorgsames Wirtschaften positiv da. Sparen allerdings ist durch die allgemeine Finanzsituation und die dadurch bedingten knapperen Einnahmen angesagt. Die Versammlung entlastete den Vorstand und bestätigte den Haushalt.

So konnten die Mitglieder die abschließenden Worte der Präsidentin als Mahnung und zugleich auch als Aufforderung mit auf den Weg nehmen: «Wir haben in diesem Jahr gesehen und gespürt, wie kalt der Wind vor unseren Toren wehen kann, wenn das gesellschaftliche Klima entsprechend ist. Umso mehr müssen wir begreifen, wie essenziell es für unsere Gemeinschaft ist, zusammenzuhalten. Wir lassen uns nicht verdrängen. Wir sind da. Wir bleiben. Und wir werden noch stärker werden. Alles ist möglich – wenn wir nur zusammenstehen und füreinander einstehen.»

Frankfurt/Main

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