Eine Jahrzeit-Kerze dient im Judentum der Erinnerung an einen verstorbenen geliebten Menschen. Wer gedenkt jedoch der unzähligen Kinder, Frauen und Männer, die in der Schoa ermordet wurden und keine Nachkommen hinterließen? Um diesem Dilemma zu begegnen, entwickelte FJMC, die amerikanisch-kanadische Föderation Jüdischer Männervereine, im Jahr 1981 die »Yellow Candle«.
Sie wird am israelischen Gedenktag Jom Haschoa gezündet. Das gelbe Wachs der Gedenkkerze ist an die Farbe des nationalsozialistischen »Judensterns« angelehnt. Etwa 200.000 gelbe Kerzen werden jährlich weltweit verschickt. Als deutschlandweit erste jüdische Gemeinde nimmt Frankfurt in diesem Jahr an der Gedenkaktion teil.
verantwortung »Es ist unsere Verantwortung, das Leid der Opfer dem Vergessen zu entreißen«, erklärt Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Auf das in Deutschland bisher weitgehend unbekannte »Yellow Candle«-Projekt sei er in London aufmerksam geworden, berichtet Vorstandsmitglied Marc Grünbaum.
Bis zum 2. Mai können Kerzen bei der Gemeinde und weiteren jüdischen Institutionen abgeholt werden.
Bis zum 2. Mai können Kerzen bei der Gemeinde und weiteren jüdischen Institutionen abgeholt werden. Am Jom Haschoa werden die Kerzen zu Hause oder bei der Gedenkstunde in der Westend-Synagoge gezündet. »Ich glaube, dass es emotional bewegend sein wird, wenn man in der Synagoge diese größere Anzahl von Kerzen sieht«, sagt Marc Grünbaum.
In Frankfurt erinnert die Jüdische Gemeinde auch an ermordete Frankfurter Juden. Zur »Yellow Candle« werden entsprechende Kärtchen vergeben, auf denen Name, Geburts- und Todesdatum eingetragen sind. »Als Teil der weltweiten jüdischen Gemeinschaft, die sich erinnert, wollen wir mit unserer Beteiligung am ›Yellow Candle‹-Projekt den lokalen Bezug stärken«, erläutert Salomon Korn. Die Kerzen können außerdem für eigene, in der Schoa ermordete Familienangehörige gezündet werden.
schoa So gedenkt der Fotograf Rafael Herlich mit einer Kerze seines Halbbruders, der als Baby in der Schoa umgekommen ist. Im Jahr 2018 brachte er auf dem Grab seines Vaters Yehuda einen zusätzlichen Grabstein für dessen ermordeten Sohn an. »Das ist ein Ort, wo ich ein Kaddisch sagen konnte, erstmals seit mehr als 70 Jahren«, erzählt Herlich.
Auch die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), die Women’s International Zionist Organization (WIZO) sowie der jüdische Turn- und Sportverein Makkabi beteiligen sich am Frankfurter »Yellow Candle«-Gedenken. Die Kerzen sind in den Geschäftsstellen der Institutionen erhältlich. »Das ›Yellow Candle‹-Projekt an Jom Haschoa verbindet kollektives und individuelles Gedenken auf eine sehr gute Weise«, sagt der ZWST-Direktor Aron Schuster.
Die Zentralwohlfahrtsstelle nahm wie jedes Jahr mit einer Delegation am »March of the Living« in Polen teil.
march of the living Die Zentralwohlfahrtsstelle nahm wie jedes Jahr mit einer Delegation am »March of the Living« in Polen teil. Bei der großen Gedenkzeremonie in Auschwitz-Birkenau zündeten die Teilnehmer auch »Yellow Candles«.
Cathy Miller, Vorstandsmitglied der WIZO-Gruppe Frankfurt, sieht in den gelben Kerzen »eine neue und feinfühlige Art des Gedenkens«. »Die ›Yellow Candle‹ gibt Anlass zum Gespräch in der Familie, stellt Fragen, und in den Familien werden Antworten gegeben«, erläutert Miller.
27. Januar Die Kerze kann in der Synagoge, zu Hause oder anderswo gezündet werden. Die Erinnerung in der Gemeinschaft und zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar sei aber auch sehr wichtig. Das Gedenken soll indes auch in den sozialen Medien stattfinden. Die Frankfurter Gemeinde stellt allen, die ein Zeichen setzen wollen, auf Facebook einen »YellowCandleFFM«-Profilbild-Rahmen zur Verfügung.
Laut Salomon Korn denkt die Jüdische Gemeinde schon jetzt an eine Fortsetzung der »Yellow Candle«-Aktion im nächsten Jahr. »Wir wollen damit ein weiteres wichtiges Zeichen gegen das Vergessen setzen«, sagt er. Er erinnert daran, dass Gedenken eine Mizwa ist.