Frankfurt

Wer ein Haus baut …

Schon im Kindergarten ein Querkopf. Später dann, auf der Schule, oft mit Eselsmütze in die hinterste Reihe verbannt und während des Barmizwa-Unterrichts vom Lehrer regelmäßig an den Haaren gezogen – was soll aus einem solchen Kind bloß werden? Nun, seit vergangenem Sonntag kennen mehrere Hundert Menschen die Antwort: Aus ihm wird der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, der Architekt des Ignatz Bubis-Gemeindezentrums, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ein Ehrensenator der Universität Heidelberg sowie ein Professor honoris causa.

Gut gelaunt, mit viel Selbstironie und voller Dankbarkeit blickte Salomon Korn bei dem Empfang zu seinem 70. Geburtstag auf sein bisheriges Leben zurück. Leichte Wehmut schwang dabei auch mit. »Alles Leben ist vergänglich«, zitierte Korn den sizilianischen Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa, und er habe »die Gewissheit, den größten Teil des Lebens bereits hinter mir zu haben«.

Hoffnung Mit der Endlichkeit des Lebens wurde Salomon Korn früh konfrontiert. Im Jahr 1943 im polnischen Lublin zur Welt gekommen, war sein Überleben wie das seiner Eltern mehr glückliches Schicksal denn kalkulierbare Planung. Dass die Familie Korn, die seit 1946 im Lager für jüdische »displaced persons« in Frankfurt-Zeilsheim lebte, auch nach dessen Auflösung nicht auswanderte, rechnet Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, der bei der Feier im Frankfurter Gemeindezentrum eine kurze Ansprache hielt, dem Jubilar bis heute hoch an.

»Ich danke Ihnen für diese Entscheidung«, sagte Bouffier. Noch viel mehr danke er ihm für das »klare Bekenntnis zur Hoffnung«, dem Korn bei der Eröffnung des Frankfurter Gemeindezentrums in seinem mittlerweile legendären Satz »Wer ein Haus baut, will bleiben, und wer bleiben will, erhofft sich Sicherheit« Ausdruck verliehen habe.

Dass Vertrauen und Zuversicht in die Lernfähigkeit einer Gesellschaft zu den prägenden Charakterzügen von Salomon Korn zählen, hob Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in seiner Laudatio hervor: »Zu sehen, dass im Jahr 1949 ein Straffreiheitsgesetz zur Amnestie für Täter der Reichspogromnacht erlassen wurde, muss man aushalten können.«

TALENT Um Salomon Korn zu verstehen, meinte Schirrmacher, müsse man ihn weder persönlich kennen noch seine Aufsätze lesen: »Alles, was zu sagen ist, zeigt dieses Gebäude.« Der Kern von Korns Denken sei in dem von ihm entworfenen Jüdischen Gemeindezentrum verewigt: dass das »schützende Drinnen immer mit dem Draußen« verbunden sei. Oder anders formuliert: Mittlerweile könne man sich als Jude in Deutschland sicher fühlen. Gleichwohl müsse man immer wachsam bleiben.

Schirrmacher lobte Korn aber nicht nur als »Architekten des Gebäudes, das, wie eine Erzählung Kafkas, erst durch Deutung seiner Zeichen sein Geheimnis lüftet«. Sondern er pries ihn auch als »Gegenfigur zu Albert Speer, der als geläuterte Nazi-Figur galt und, wie wir heute wissen, bis in die 70er-Jahre von den Nazis geraubte Bilder unter der Hand verkaufte«. Zustimmend zitierte Schirrmacher den publizistischen Ritterschlag seines Feuilleton-Kollegen Marcel Reich-Ranicki, der über Korn gesagt hatte: »Der Mann kann schreiben!«

Und er habe die »deutsche Ministerialbürokratie verändert«: Schließlich habe Korn einst den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl darauf hingewiesen, dass politische Treffen – sofern der Kanzler auf die Anwesenheit des Juden Korn Wert lege – nicht samstags stattfinden könnten.

Tradition Womit bewiesen wäre: Salomon Korn zählt nicht zu den Drei-Tage-Juden – auch wenn es ihn als Neunjährigen arg quälte, das »Morgen- und Abendgebet in hebräischer Sprache aufsagen zu müssen«. Damals hatten ihn seine Eltern in der Schweiz in einem jüdisch-religiösen Internat untergebracht. Eine Aversion gegen das Judentum entstand daraus nicht. Im Gegenteil: »Salomon hat die Traditionen des deutschen Judentums für sich persönlich adaptiert und adoptiert«, formulierte es Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Graumann lobte Korn als »herausragende Persönlichkeit von konstanter Brillanz und stabiler Exzellenz«. Er sei »einer der führenden Köpfe unserer Republik und ein kühner Vordenker«. Lauter Superlative, denen er eines der schönsten Komplimente hinzufügte: »In Salomon Korn habe ich einen Freund gefunden, auf den ich mich immer verlassen kann.«

Diese Freundschaft sei in einer Zeit entstanden, in der sich die medialen »Superstars« im Frankfurter Gemeindevorstand, Ignatz Bubis und Michel Friedman, um »ganz Deutschland« gekümmert hätten – und er sich, gemeinsam mit Korn und Leo Latasch, um die Frankfurter Gemeinde. »In diesen Jahren habe ich zusammen mit Salomon Korn Hunderte von Terminen wahrgenommen. Quer durch alle Dezernate hinweg, es gab gar keine Zuständigkeiten mehr: Es gab nur noch uns«, erinnerte sich Graumann.

Freundschaft Damals wurde die Basis für eine Freundschaft gelegt, die über so manche Klippe, auch in der Zentralratsarbeit, getragen habe. Es werde oft gesagt, die Politik sei ein Haifischbecken. Umso schöner finde er es, dass es bislang niemandem gelungen sei, einen Keil zwischen ihn und Korn zu treiben.

Neben allem Lob zeigte auch der Blick in den Saal, welches Ansehen Korn genießt: Zur Feier erschienen waren unter anderem die hessische FDP-Kultusministerin Nicola Beer, Frankfurts Ex-Oberbürgermeisterin Petra Roth, Grünen-Bürgermeister Olaf Cunitz, SPD-Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel, Werner Müller-Esterl, Präsident der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Tigerpalast-Chef Jonny Klinke, Stadtdekan Pfarrer Johannes zu Eltz, Gemeinderabbiner Menachem Halevi Klein, der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen, Moritz Neumann, Trude Simonsohn, die Vorsitzende des Rats der Überlebenden des Holocaust am Fritz Bauer Institut und – dem Jubilar zur besonderen Ehre – Ida Bubis, die Frau von Ignatz Bubis sel. A., Korns politischem Mentor und Freund.

Dass seine Freunde, Weggefährten und seine Familie gemeinsam mit ihm feierten, schien Korn ohnehin mehr zu bedeuten als alle lobenden Worte. »Alles ist eitel und Haschen nach dem Wind«, zitierte er König Salomon und verband dies mit einer Liebeserklärung an seine Frau Maruscha: Von ihr habe er gelernt, bei allem politischen und beruflichen Erfolg das wahre Leben nicht aus den Augen zu verlieren. Dass ihm dies auch in Zukunft gelingen wird, scheint gewiss.

Frankfurt/Main

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