Der Grauburgunder ist noch nicht eingeschenkt, da lassen sich schon die meisten der 240 Gäste des Kölner WIZO-Balls in der Wolkenburg von den populären Liedern der belgischen Combo »Mozaik« mitreißen und tanzen Hand in Hand in mehreren Kreisen umeinander. Erst als Moderator Ralph Morgenstern mit einer Laudatio auf die WIZO ernste Töne anschlägt, nehmen sie die Sitzplätze ein und lassen sich den Feldsalat im Brickteigkörbchen schmecken.
Morgenstern zitiert Zentralratspräsident Dieter Graumann und nennt die Women’s International Zionist Organisation (WIZO) »die amtierende Weltmeisterin in Sachen Humanität, Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit«. Und die Weltmeisterin wird gebraucht: Da es in Israel keine staatlichen Kindergärten gibt, müssen sich private Institutionen um die Finanzierung Benachteiligter bemühen. Für jedes Kind und jedes Jahr sind das etwa 500 Euro. »Und um dieses Geld geht es heute Abend!«
Ein Abend, den Diana Schnabel, Präsidentin der WIZO Deutschland, als ihr persönliches Highlight im ohnehin sehr intensiven WIZO-Jahr bezeichnet. Ihr Dank richtet sich vor allem an die Kölner WIZO-Frauen als eine tragende Säule der Organisation in Deutschland. Den Herren im Saal gratuliert sie zum Weltmännertag: »Jungs, you got the message: Spenden!«
Perspektive Ebendies ist das Motto der Veranstaltung: »Sponsor a child!«. Nachdenklich nehmen die Gäste den Leitsatz der Initiative auf: »In 100 Jahren spielen die Höhe Ihres Bankkontos oder die Klasse Ihres Autos keine Rolle mehr – aber die Welt kann sich verändert haben, weil Sie eine wichtige Rolle im Leben eines Kindes gespielt haben.«
Der Kölner Gemeinderabbiner Jaron Engelmayer bringt es auf den Punkt: »Wir glauben an die Zukunft unserer Kinder.« Und es sei durchaus im Sinne des Talmud, das Gebot, »sich zu vermehren«, durch Adoption zu erfüllen, eben Kinder geistig großzuziehen oder sich um ihr physisches Wohl zu kümmern. Die Mischna, so Engelmayer, stelle fest: Wer einen Menschen rettet, dem wird es angerechnet im Himmel, als ob er die gesamte Welt gerettet hätte.
Enthusiasmus Ralph Morgenstern kann jedenfalls bereits zur Mitte des Abends verkünden, dass die Zahl »gezeichneter Patenschaften« die des Vorjahres schon fast erreicht habe. Das ist wohl auch seinem Enthusiasmus zu verdanken, der sich auf das Publikum überträgt: »Meine Damen und Herren, denken Sie daran: Zeichnen, zeichnen, zeichnen!«
Sogar auf dem Parkett zieht Morgenstern noch Blicke auf sich – keine Kleinigkeit zwischen all den wild tanzenden Gästen in ihren Ballkleidern und Maßanzügen. Auch ist er nicht der einzig Bekannte: Neben lokaler Prominenz sind unter anderem die Schauspielerinnen Sabine Postel und Jutta Speidel dabei und – als Stargast der Veranstaltung – Designer und Juror von »Germany’s next Topmodel«, Thomas Rath.
Die Tanzpause während des Hauptgangs nutzen Rath und Morgenstern, um gemeinsam für den Verkauf von Tombolalosen zu werben – mit Hauptpreisen wie einer Brillantkette, einer Flugreise nach Los Angeles und Logenkarten für ein Violinkonzert von David Garrett.
Tombola Der David Garrett des Abends aber ist David Malaev. Der junge Geiger aus Berlin bindet durch Schnelligkeit und klare Töne unmittelbar die Aufmerksamkeit des Publikums und erspielt sich – obschon mit seiner zurückhaltenden Art eher das Gegenteil des Tombola-Teams – einen lang anhaltenden Beifall. Szenenapplaus gibt es auch für den Kabarettisten Robert Griess, der ebenfalls als Stargast angekündigt ist. Die größte Resonanz im nicht nur jüdischen Publikum erhält er für einen rezitierten Satz Ursula von der Leyens, die gemahnt habe, Eltern sollten nicht vor ihren Kindern betrunken sein.
An diesem Abend besteht da keine Gefahr: Die Damen und Herren kommen vor lauter Bewegung kaum zum Trinken – die Coverversionen Mozaiks sind zu tanzbar. Chazak, Hevenu Shalom, Purple Rain als Funk, Soul und Folk. Schnell wie langsam. Unterbrochen nur durch Ansagen wie der Verkündung der Tombola-Gewinner. Bei Moderationsschluss kurz nach Mitternacht sind schon 68 Patenschaften übernommen worden, eine Frau hat gleich zehn auf einmal gezeichnet und sie ihrem Vater gewidmet. Auch hier geht es um Erbe – verwoben mit Solidarität. Für das jüdische Volk und für den jüdischen Staat.
Das macht auch WIZO-Präsidentin Diana Schnabel deutlich. Der Staat Israel sei nicht in der Lage, das alleine zu leisten. Denn selbst 65 Jahre nach seiner Gründung müsse dieser einen Großteil seines Haushalts in die militärische Verteidigung investieren.
Israel Erst im vergangenen Monat sind wieder Dutzende Raketen aus dem Gazastreifen im Süden des Landes eingeschlagen. Die WIZO habe aufgrund dessen die meisten ihrer 19 Kindertagesstätten schließen müssen, denn bislang sei nicht jede Kita mit einem Schutzraum ausgestattet.
Der Anteil bedürftiger Familien in Israel betrage indes rund 20 Prozent, so Schnabel, davon lebten fast 800.000 Kinder unterhalb der Armutsgrenze – muslimische, christliche wie jüdische. Die Solidarität der WIZO gelte allen Bedürftigen in Israel, »gleich welcher Ethnie oder Religion« sie angehörten, »das ist uns sehr wichtig«. Dieter Graumann habe es treffend formuliert: »In dieser Wüste aus Hass ist die WIZO eine Oase der Menschlichkeit und des Friedens.«