Gleich zweimal wurde Hildegard Hamm-Brücher im Großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses in den vergangenen Wochen gefeiert: Zu ihrem 90. Geburtstag und anlässlich der Verleihung der Moses-Mendelssohn-Medaille.
Beide Male kamen Freunde, um der engagierten Politikerin, die sich stets für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hat, die Ehre zu erweisen. In der Kommunal-, der Landes- und Bundespolitik war sie jahrzehntelang FDP-Mitglied, trennte sich aber nach 54 Jahren von der Partei, als Jürgen Möllemann mit antijüdischen und israelfeindlichen Ausfällen hervortrat.
Die Motivation für Hamm-Brüchers lebenslangen Einsatz für Demokratie brachte Charlotte Knobloch in ihrem Grußwort anlässlich der Verleihung der Moses-Mendelssohn-Medaille auf den Punkt: Sie zitierte zwei Sätze aus Flugblättern der Weißen Rose, auf die Hamm-Brücher selbst immer wieder verweist: »Aus Liebe zu kommenden Generationen müssen nach Beendigung des Krieges Exempel statuiert werden, dass niemand die geringste Lust verspürt, Ähnliches aufs Neue zu versuchen …« – so steht es im vierten Flugblatt. Und im fünften heißt es: »Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt habt …« Diese beiden Sätze seien der Politikerin immer Leitlinie gewesen, sagte Knobloch.
Stiftung Nur zwei Tage nach Sophie Scholl wurde Hamm-Brücher am 11. Mai 1921 in Essen geboren. Und noch heute setzt sie sich aktiv gegen Vergessen und für Demokratie ein. Entsprechend hat sie die Stiftung Münchner Bürgerpreis ins Leben gerufen – als einen Beitrag zum Erinnern und um ihrer Wahlheimat München, in der sie seit ihrem Studium lebt, und die sie 1995 zur ersten weiblichen Ehrenbürgerin gewählt hat, ihre Dankbarkeit und Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. Die Preisvergabe fand erstmals anlässlich ihrer Geburtstagsfeier im Rathaus statt.
Eine siebenköpfige Jury hat unter 33 Bewerbungen drei Projekte ausgewählt und zudem dem Gründungsvorsitzenden des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie, Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, einen Ehrenpreis für sein langjähriges Engagement zuerkannt.
Die Preisträger sind zwei Münchner Schulen und ein junges Filmteam: das städtische Sophie-Scholl-Gymnasium, die Hauptschule an der Schleißheimer Straße sowie das Team des Dokumentarfilms von »Kick it like Kurt«, der am Dienstag, 28. Juni, 19.30 Uhr in der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau gezeigt wird.
Aussöhnung Mit der Preisstifterin, allen Geehrten und Anwesenden freute sich auch Oberbürgermeister Christian Ude, der bekannte, in Hildegard Hamm-Brücher stets ein Vorbild gesehen zu haben.
Am 16. Juni wurde Hamm-Brücher dann selbst mit einem Preis ausgezeichnet: mit der Moses-Mendelssohn-Medaille insbesondere für ihr »stetiges Eintreten für Demokratie und Freiheit, für Frauen- und Bürgerrechte, gegen Antisemitismus und Geschichtsverdrängung, für die Aussöhnung von Christen und Juden und für ihre Bemühungen um einen interreligiösen Dialog«.
Übergeben wurde sie ihr bei einem Festakt vom Präsidenten der Universität Potsdam, Thomas Grünewald, und Julius H. Schoeps. Charlotte Knobloch, die diese Auszeichnung ebenfalls besitzt und auch Münchner Ehrenbürgerin ist, drückte in ihrem Grußwort ihren Respekt vor Hamm-Brüchers »unermüdlichen Einsatz für Ihre Werte und Überzeugungen« aus, mit denen »Sie es bis auf den Gipfel der Politik geschafft haben. Noch mehr bewundere ich, dass Sie sich dabei Ihre Unabhängigkeit bewahrten.«
Ausstrahlung Laudatorin Rachel Salamander hob eine weitere Seite von Hildegard Hamm-Brücher hervor: »Mir hat immer gefallen, wie sie sich als Frau präsen- tierte und präsentiert: sie sah und sieht nicht nur wunderbar aus – mit ihrer Ausstrahlung, ihrer Offenheit und Kommunikationsfähigkeit hat sie die Sache der Frauen hervorragend promoviert.
Für Hildegard Hamm-Brücher war Politik immer und vor allem auch Frauenpolitik. Lange vor der Frauenbewegung der 70er-Jahre gehörte sie zu den wenigen Frauen und Vorkämpferinnen, die in Politik, Gesellschaft und Parlament für die Gleichberechtigung der Frauen eintraten.«
Hamm-Brücher gehöre der Generation an, »die weiß, dass Demokratie und Freiheit täglich von neuem aktualisiert werden müssen und wie notwendig es ist, täglich für sie einzustehen.«