Mit verhaltener Zuversicht hat Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, auf den mit überwältigender Mehrheit des Bundestags zustande gekommenen Beschluss reagiert, Antisemitismus künftig entschlossen zu bekämpfen. »Der Antrag zu dieser wegweisenden Entscheidung war von existenzieller Bedeutung«, sagte Charlotte Knobloch – zumal er mit den Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen breite Unterstützung fand.
Mit der Entscheidung hat der Bundestag nach Überzeugung der IKG-Präsidentin die besondere Verantwortung der Bundesrepublik im gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen Antisemitismus betont und jede Form davon verurteilt. Antisemitismus, so Knobloch, finde sich inzwischen in allen politischen Lagern und habe mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen angenommen.
Die Entscheidung sei auch deshalb von besonderer Bedeutung, da in der Vergangenheit zu viel versäumt worden sei.
Muslime »Zu lange hat man die Augen davor verschlossen, dass der Antisemitismus in Deutschland ein beschämendes und bedrohliches Maß angenommen hat«, betonte Knobloch. »Judenfeindliche Ressentiments und Verschwörungstheorien werden im rechten und linken Spektrum der Gesellschaft verbreitet. Unter hier lebenden Muslimen herrscht bisweilen regelrechter Judenhass, der aus den muslimischen und arabischen Ländern befeuert wird«, erklärte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Hinzu kommt, dass mit der AfD eine Partei zur drittstärksten Kraft geworden ist, in der Geschichtsklitterung und Antisemitismus einen festen Platz haben.«
Mit der Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten erfüllt sich eine seit Langem erhobene Forderung der IKG-Präsidentin. Sie warnt aber davor, dieser Stelle, die im Bundeskanzleramt angesiedelt sein sollte, nur symbolischen Charakter zuzuweisen. »Es ist für die Zukunft jüdischen Lebens von entscheidender Bedeutung«, so Charlotte Knobloch, »dass das Phänomen Judenhass parteiübergreifend, ressortübergreifend und gesellschaftsübergreifend an der Wurzel gepackt wird.«
Dabei sollten aber auch die positiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nicht aus den Augen verloren werden, hob Knobloch hervor. »Um sie zu bewahren und antijüdische Einstellungen zu bekämpfen, benötigen wir eine selbstkritische und ehrliche Analyse und Maßnahmenkonzeption auf allen gesellschaftlichen Ebenen: in der Politik, im Bildungssystem, in der Justiz, im Straf- und Versammlungsrecht, im Polizei- und Sicherheitsbereich, bei der Erfassung antisemitischer Taten sowie bei der Integration und den Aufenthaltsregelungen. All das kann und muss der Beauftragte mit ausreichenden Kompetenzen und Befugnissen koordinieren und evaluieren.«
»Israelkritiker« Ausdrücklich begrüßt wird von Charlotte Knobloch auch die Verurteilung der weltweiten antisemitischen Bewegung »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS), die sich insbesondere im linken politischen Spektrum als legitimer Akteur geschickt den »Israelkritikern« angedient habe. Entscheidend sei jetzt aber, entsprechende Maßnahmen schnell und wirksam umzusetzen.
Ihrer Einschätzung nach trägt der Beschluss den dramatischen Entwicklungen hinsichtlich der Verbreitung und Intensivierung der antisemitischen Aggression hierzulande Rechnung. Er gehe auch weit über das in dieser Hinsicht karge Ergebnis des Sondierungspapiers hinaus. »Ich hoffe sehr«, so Charlotte Knobloch, »dass die Antisemitismusbekämpfung bei der weiteren Regierungsbildung eine gewichtigere Rolle spielen wird.«