Musiktheater

Wallenstein als Warlord

Zeitlose Trümmerwüste: Szene aus der Oper Foto: GLAGLA PHOTO.DESIGN pottMEDIA

Schillers Wallenstein-Trilogie in zweieinhalb Stunden, noch dazu als Oper – das gibt es tatsächlich. Und das Publikum hat das Gefühl, dass nicht nur der zwischen Kaisertreue und Verrat schwankende Herzog zu Friedland seine Pappenheimer kennt (was sich ja am Ende als Irrtum erweist), sondern auch das Publikum »seinen« Schiller zumindest wiedererkennt. In dem von Max Brod ins Deutsche übertragenen Libretto dampfte Miloš Kareš die Vorlage auf sechs Szenen ein.

Die Musik stammt von dem 1896 in Prag geborenen jüdischen Komponisten Jaromír Weinberger. Mit seinem 1927 in Prag uraufgeführten Schwanda, der Dudelsackpfeifer wurde er zum Star und landete damit auf den Spielplänen – noch vor der Zauberflöte oder Carmen!

URAUFFÜHRUNG Wallenstein erlebte dann 1937 in Wien kurz vor der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland seine Uraufführung, gehörte aber bald zu den Werken, die die Nazis in ein Exil des Verschweigens verbannten, das sich als ziemlich nachhaltig erwies.

In Deutschland gelang die Erstaufführung erst 2009 am Theater Altenburg-Gera. Weinberger entkam den Nazis, lebte ab 1939 in Florida, konnte aber nie wieder an seinen ersten Sensationserfolg anschließen, der ihm immerhin das Überleben sicherte. Er nahm sich 1997 in Florida das Leben.

Nun also die Oper aus der Mitte des Dreißigjährigen Krieges in einer der Städte des historischen (Westfälischen) Friedens: In seiner Inszenierung vertraut Hausherr Ulrich Mokrusch darauf, dass dem Werk der Wahnsinn des Krieges per se eingeschrieben ist. Noch vor dem Einsetzen der Musik heulen jetzt Luftalarmsirenen. Bei dem folgenden Einblick in das Lager Wallensteins ist Weinberger mit chorischem Säbelrasseln musikalisch so deftig, wie es Schiller mit Worten ist. Dann steht der zaudernde Titelheld im Zentrum.

SPIELRAUM Die Ausstatter Okarina Peter und Timo Dentler haben eine zeitlose Trümmerwüste vor einem düsteren Halbrund installiert. Wenn das an der Rampe als Fassade den Spielraum begrenzt, dann beglaubigt diese Enge die Atmosphäre für Intrigen, wie die Absprachen zwischen dem Kaisergesandten Questenberg und Octavio Piccolomini (mit vollem Einsatz: Wolfgang Newerla).

Wallensteins geheime Kontakte zu den Schweden sind aufgeflogen, und der Druck auf ihn wächst, sich zu entscheiden. Ausgeübt wird er vor allem von Illo (Jinxin Chen), der Gräfin Terzky (mit Vehemenz: Susann Vent-Wunderlich) und vom schwedischen Gesandten (Aljoscha Lennert spielt auch den kaiserlichen Questenberg).

Den mächtigen Warlord Wallenstein bremsen nicht nur seine eigenen Zweifel. Vor allem der junge Max Piccolomini würde dem Seitenwechsel nicht folgen. Dass aus dessen Liebe zur Tochter des Fürsten Thekla nichts werden kann, ist opernkompatibel – wobei James Edgar Knight sein Max etwas zu extravagant gerät und Jelena Brankovic ihre Thekla dem vokal anpasst.

ENSEMBLE Beim umfangreichen Protagonisten-Ensemble ist nirgends Nacht, aber der Herzog von Friedland strahlt schon etwas heller als die anderen. Hans Gröning ist der Wallenstein-Glücksfall schlechthin: mit tadelloser Diktion ein Musterbeispiel von deklamatorischer Eloquenz. Bei ihm versteht man nicht nur, was er singt, sondern dank der Noblesse seiner Erscheinung obendrein, was er meint.

Weinbergers Musik ist tonal konventionell, er findet einen eigenen Sound voller Abwechslung und einen Parlandostil, der die langen Debatten der Musik einverleibt, mit martialischen Soldatengesängen bis hin zum Pappenheimer-Marsch. Weinberger führt vor, was er draufhat – und das ist eine Menge.

Andreas Hotz animiert die Osnabrücker Symphoniker zu Höchstleistungen. Sierd Quarré sorgt beim Chor für die entsprechende Kampfbereitschaft. Die Oper Osnabrück kann einen Sieg auf ganzer Linie verbuchen. Für Schiller, für Weinberger, für das Musiktheater und sein begeistertes Publikum!

Die Oper wird erneut am 22. und 25. Juni sowie am 2. Juli am Theater Osnabrück aufgeführt.

Frankfurt/Main

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