Interreligiös

»Versöhnung statt Misstrauen«

»Es war ein schwieriger Ausgangspunkt«: IKG-Vorstandsmitglied Abi Pitum Foto: Marina Maisel

Mit einem Festakt im Saal des Alten Rathauses wurde die Woche der Brüderlichkeit am 8. März eröffnet. Zu Ende ging die Veranstaltung mit einer großen Kabbalat-Schabbat-Feier im Jüdischen Gemeindezentrum. Zwischen diesen beiden Daten lag ein vielfältiges Kulturprogramm, das durchweg dem diesjährigen Motto »Im Gehen entsteht der Weg« folgte.

Der jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, IKG-Vorstandsmitglied Abi Pitum, erinnerte bei der Eröffnung an den Beginn der über 70 Jahre zurückliegenden Annäherungsphase zwischen Juden und Christen in Deutschland nach 1945. Gezeichnet von der Schoa hätten damals Angst auf der einen Seite und Misstrauen auf der anderen Seite das Klima geprägt. »Es war ein schwieriger Ausgangspunkt«, sagte Pitum.

problem Er und alle anderen hochrangigen Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft, die beim Festakt das Wort ergriffen, betonten angesichts des neu entflammten Antisemitismus die Notwendigkeit des gegenseitigen Verstehens zwischen Juden und Christen. Ministerpräsident Horst Seehofer, der bei der Eröffnungsfeier von Staatsministerin Emilia Müller vertreten wurde, brachte in seinem schriftlichen Grußwort das Problem auf den Punkt: »Der Antisemitismus ist auch in unserer Gesellschaft keineswegs überwunden.«

»Es sind Grundwerte wie Toleranz und Solidarität, die unser Miteinander bestimmen sollten. Entscheidend sind die kleinen und großen Taten, die wir alltäglich tun«, erklärte Staatsministerin Müller. Sie bezog sich auch auf den verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, der die Deutschen von einem Geschichtsbild der Relativierung befreit und sie zum Dialog aufgefordert habe. »Dies ist ein Weg der Wahrhaftigkeit, der Verständigung und der Versöhnung«, unterstrich Müller. »Lassen Sie uns diesen Weg weitergehen!«

Bürgermeisterin Christine Strobl ging in ihrer Begrüßungsrede auf die besondere Rolle der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ein, die im Jahr 1949 in München gegründet worden ist. Von hier aus, sagte die Bürgermeisterin, sei damals der Weg für den christlich-jüdischen Dialog bereitet worden, der auf den Trümmern der inneren und äußeren Zerstörung unter unendlich schwierigen Bedingungen in Gang gebracht worden sei. »Bis heute ist die Münchner Gesellschaft ein wichtiger Motor der Verständigung, der Versöhnung und des Miteinanders zwischen Juden und Christen geblieben«, hob Strobl hervor.

Hoffnung Zu Wort kamen im Rathaussaal auch die katholische Vorsitzende, Ordinariatsdirektorin Gabriele Rüttiger, und Kirchenrat Reiner Schübel, der evangelische Vorsitzende. Rabbiner Jehuda Horowitz von der Kultusgemeinde, der erst kurz vor Beginn der Veranstaltung aus Israel eingetroffen war, hielt den Festvortrag. Er sprach über die Bedeutung des Friedens in der Welt und äußerte eine Hoffnung, die alle Anwesenden im Saal uneingeschränkt teilten: »Die Welt wäre so viel fruchtbarer, wenn alle Religionen und unterschiedlichen ethnischen Gruppen es schaffen würden, miteinander in Frieden zu leben.«

Nach der Eröffnung, die musikalisch vom »The Red Socks Brassquintett« begleitet wurde, folgte in der Woche darauf ein ganz auf die Woche der Brüderlichkeit zugeschnittenes Programm. Der Historiker Dietz Bering nahm Martin Luthers Antisemitismus unter die Lupe, der Deutsche Karmeliten-
Provinzial Ulrich Dobhan beschäftigte sich mit den jüdischen Wurzeln von Teresa von Avila, und Brigitte und Leo van Kann unternahmen »Literarische Erkundungen zu Marc Chagalls Schtetl-Bild ›Der Geiger auf dem Dach‹«.

Darüber hinaus stand in der Seidl-Villa unter dem Motto »Das wunderbare Überleben« der Pianist, Komponist und Schriftsteller Wladyslaw Szpilman (1911–2000) im Mittelpunkt – Protagonist des Oscar-preisgekrönten Films Der Pianist von Roman Polanski.

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