Mit tiefer Trauer und Bestürzung hat IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch die Nachricht vom Tod des Politikers Egon Bahr aufgenommen. »Das ist einer der größten Verluste für die deutsche Politik – und für mich der Verlust eines wirklich guten Freundes«, schrieb sie in einem persönlichen Nachruf.
Zum 60. Jahrestag der Ratifizierung des Grundgesetzes im Jahr 2009 war Egon Bahr nach München in den Alten Rathaussaal zur Vorstellung des Buchs Demokratie, das sind wir alle (Zabert Sandmann Verlag) gereist, das von seiner politischen Weggefährtin Hildegard Hamm-Brücher herausgegeben wurde und zu dem er selbst einen viel beachteten Beitrag beigesteuert hatte. Am Rande der Podiumsdiskussion, die von der IKG mitgetragen wurde, traf er auch auf Charlotte Knobloch, die ihn schon seit vielen Jahren kannte.
Klarsicht Der Kontakt blieb über all die Jahre bis zuletzt bestehen. Noch vor wenigen Wochen hat sie Egon Bahr in Berlin getroffen und ein langes intensives Gespräch mit ihm geführt, erinnert sich die IKG-Präsidentin mit Wehmut an die Begegnung. Er sei hellwach gewesen, wie immer politisch exzellent informiert und habe die Themen mit seltener Klarsicht auf den Punkt gebracht. »Die Begegnungen mit ihm werde ich immer als Sternstunden in meinem Leben betrachten«, betont Charlotte Knobloch. Egon Bahr, dessen Mutter Jüdin war, sei einzigartig gewesen, sowohl als Politiker als auch als Mensch.
Die IKG-Präsidentin lernte Bahr als »deutschen Patrioten mit Blick für die weltpolitischen Zusammenhänge« kennen, wobei sein Patriotismus nichts Enges oder Verstaubtes gewesen sei. »Ganz im Gegenteil«, schildert sie ihre persönlichen Erfahrungen, »Egon Bahr hatte den Mut und die Gabe, seine politischen Träume anzugehen und dafür ungeahnte, ja geradezu revolutionäre Wege zu beschreiten.«
Generation Egon Bahr, der brillante Diplomat mit dem ausgeprägten Realitätssinn, der die Ostverträge ausgehandelt hat, habe sich keine Illusionen über den Menschen und seine offenbar unveränderbare Struktur gemacht, die Erfahrungen früherer Generationen wieder zu vergessen. Dennoch habe er sich in seinem Handeln nie beirren lassen, so Knobloch.
Besonders hervorzuheben ist nach Ansicht der IKG-Präsidentin die Rolle Bahrs als politisches Vorbild für die jungen Generationen. Immer wieder habe er, der Zeitzeuge fast eines ganzen Jahrhunderts, junge Menschen zu »mehr Mut zu Neuem, Revolutionärem, Systemänderungen und einer weltumfassenden Sicht« aufgefordert. Charlotte Knobloch: »Wie sehr wird uns allen diese Stimme fehlen.«