Das Jüdische Gymnasium, das vor eineinhalb Jahren den Schulbetrieb aufnahm, und das Stadtarchiv, Abteilung Jüdische Geschichte, wollen künftig eng zusammenarbeiten. Geplant ist eine unkomplizierte, aber dauerhafte Kooperation. Der erste Schritt wurde bereits unternommen.
Die Idee dazu, die bei allen Beteiligten auf große Zustimmung stößt, hatte der Elternbeirat des Gymnasiums im vergangenen Jahr. Vorgespräche und Terminabsprachen benötigten zwar etwas Zeit, aber in der vergangenen Woche bekamen die Schüler der 6. Klasse bei einem Besuch des Stadtarchivs erste Eindrücke davon, wie die Kooperation funktionieren kann. Der Historiker Andreas Heusler, wohl einer der besten Kenner der jüdischen Geschichte Münchens und im Stadtarchiv auch dafür in verantwortlicher Position zuständig, ließ die Kinder unter anderem einen kleinen Blick hinter die Kulissen der städtischen Einrichtung werfen.
Archive Konkret mit nach Hause nehmen konnten die Schüler aber vor allem die professionellen Ratschläge des Experten, wie in den Archiven und Datenbeständen am effektivsten nach persönlichen Daten gesucht werden kann. »Das war sehr lehr- und hilfreich«, berichtet Elternbeiratsmitglied Irina Alter, die den Besuch mitorganisierte und die Schüler auch ins Reich der städtischen Geschichte begleitete.
Ihr neues Wissen wollen die Schüler auch praktisch umsetzen. Bereits im vergangenen Jahr nahm das Jüdische Gymnasium sehr erfolgreich am alljährlichen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teil. Für Miriam Geldmacher, die Direktorin, steht deshalb auch außer Frage, sich erneut dem Wettbewerb zu stellen. Die Erforschung der Familiengeschichten der Schüler, im Team oder kleinen Gruppen, dürfte nach dem Besuch im Stadtmuseum als Wettbewerbsthema ein Stück näher gerückt sein.
Die Schüler der 6. Klasse sind so etwas wie die »Gründungsmitglieder« des Jüdischen Gymnasiums, das im September 2016 seine Pforten öffnete und im Gemeindezentrum am Jakobsplatz residiert. Nach dem Krieg gab es bereits ein Jüdisches Gymnasium in München, das aber mangels Schülern und Lehrern nur wenige Jahre bestand. Die genaueren Umstände kennen die Schüler des Gymnasiums bereits. Der Holocaust-Überlebende Selig Rosenblum, der vor 70 Jahren das Jüdische Gymnasium besuchte, war bereits im neuen Gymnasium zu Gast. Und im Sommer wird das Thema durch Ruth Melzer, ebenfalls Nachkriegsgymnasiastin, noch weiter ergänzt.
namen Im Stadtarchiv folgte für die Sechstklässler die dokumentarische Bestätigung. Dort hielten die Schüler Originaldokumente des alten Jüdischen Gymnasiums in Händen, etwa die Schülerlisten, die erst vor Kurzem in den Beständen entdeckt worden waren. Auch die Namen von Ruth Melzer und Selig Rosenblum sind dort zu finden.
Für IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch repräsentiert das Jüdische Gymnasium die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zugleich. Auch bei der Eröffnung der Schule, die das pädagogische Konzept der IKG komplettierte und die Erfüllung eines persönlichen Traums von ihr war, ging sie darauf ein und warnte in diesem Zusammenhang vor Geschichtsvergessenheit. »Wer die Vergangenheit nicht kennt«, sagte sie, »kann auch die Zukunft nicht gestalten.« Ein Projekt wie die Kooperation mit dem Stadtarchiv passt deshalb genau ins pädagogische Konzept.
Irina Alter, die Begleiterin der Klasse, konnte am Ende eines feststellen: »Mit einem trockenen Geschichtsthema hatte der Besuch des Stadtarchivs nichts zu tun.« Eineinhalb Stunden lang löcherten die Schüler Andreas Heusler, der über ein immenses Wissen zur Geschichte der Juden in München verfügt und als Experte auf verschiedenen Ebenen in Erscheinung tritt. Unter anderem hat er ein Buch über das Leben von Lion Feuchtwanger geschrieben, der vor den Nazis aus München floh.
Beleg Das Buch über den Schriftsteller hat Andreas Heusler im Jüdischen Gemeindezentrum vorgestellt, das gerade einmal zehn Jahre alt ist. Auch das ist ein Beleg für die These der IKG-Präsidentin, dass Vergangenheit und Zukunft eng verwoben sind und pädagogisch entsprechend vermittelt werden müssen.
Der Umgang mit der Geschichte der Juden und des Holocaust erfordere grundsätzlich ein hohes Maß an pädagogischer Sensibilität. Bei einer Gesprächsrunde anlässlich der Jüdischen Filmtage, an der auch Alt-Oberbürgermeister Christian Ude teilgenommen hatte, war IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch bereits auf einen speziellen Punkt in dieser Hinsicht eingegangen.
Klassenbesuche in KZ-Gedenkstätten müssten im Unterricht gründlich vorbereitet werden, wobei auch die Reife der Schüler berücksichtigt werden müsse. »Der Besuch an Orten des Massenmordes und des Grauens«, so Charlotte Knobloch, »ist kein Klassenausflug in den Erlebnispark.«