Außergewöhnlich. Dieser Begriff passt am besten zu dem festlichen Abend, mit dem die Israelitische Kultusgemeinde ihr Ehrenmitglied Max Mannheimer an dessen 95. Geburtstag würdigte. An erster Stelle verdient das Prädikat »außergewöhnlich« der Holocaust-Überlebende mit den markanten schneeweißen Haaren selbst. In dieser Beurteilung waren sich alle Festgäste einig, ausnahmslos.
drei bürgermeister Das Außergewöhnliche an der Geburtstagsfeier war an vielen Facetten zu erkennen. Zum Beispiel daran, dass nicht nur der amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter erschienen war, sondern auch noch seine beiden Amtsvorgänger Christian Ude und Hans-Jochen Vogel. Das geballte Zusammentreffen der drei Stadtoberhäupter aus Anlass des Geburtstages registrierte auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch. »So etwas«, sagte sie, »habe ich noch nicht erlebt.«
Wie wichtig das Ereignis zu Ehren Max Mannheimers genommen wurde, bewies Christian Ude. Er kam mit Ehefrau Edith direkt aus dem Urlaub ins Gemeindezentrum am Jakobsplatz. Aber auch Oberbürgermeister Dieter Reiter nahm auf seinen prall gefüllten Terminkalender keine Rücksicht. Die persönliche Übermittlung von Geburtstagswünschen an den Jubilar war ihm an diesem Abend wichtiger.
Das Stadtoberhaupt sorgte natürlich auch dafür, dass der kleine, dafür bereitgestellte Beistelltisch im »Einstein« unter den Geschenken ächzte. Ein besonders ans Herz gehendes Präsent, das dort ebenfalls Platz fand, hatte sich die kleine Sonia (8) ausgedacht: ein farbiges Porträt des »Geburtstagskindes«, von ihr selbst gemalt. Die Verbindung zwischen dem Mädchen und dem Jubilar reicht weit in die Vergangenheit zurück, bis ins Warschauer Getto. Sonjas Urgroßvater und Max Mannheimer waren dort, im Niemandsland von Willkür, Qualen und Tod, zu Freunden geworden.
freundschaft Zeitlich noch ein Stück weiter zurück reichte das Geschenk von Charlotte Knobloch, die dem Jubilar Zeitungen überreichte, die an dem Tag erschienen waren, als Max Mannheimer vor 95 Jahren das Licht der Welt erblickt hatte.
»Freundschaft«, diesen Begriff verwendete auch Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, um seine mehr als fünf Jahrzehnte andauernde Beziehung zu Max Mannheimer zu beschreiben. »Er ist eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten, denen ich begegnet bin«, legte Münchens Politlegende Vogel die Messlatte seines Respekts sehr hoch. In seiner Laudatio erinnerte er zwangsläufig an die Schreckenserlebnisse, denen Max Mannheimer in der NS-Zeit ausgesetzt war. »Du hast lange nicht viel über dein eigenes Schicksal erzählt«, richtete sich der Festredner direkt an den Mann, der mehrere Konzentrationslager überlebt hatte, darunter Theresienstadt und selbst Auschwitz, die Inkarnation der Unmenschlichkeit. Vogel bezog sich auch auf die schriftlichen Aufzeichnungen Max Mannheimers, die als Buch erschienen sind: »Mehr als einmal stockt einem beim Lesen der Atem.«
Hass oder Schuldvorwürfe gegenüber Deutschen, was man nach Ansicht des früheren Oberbürgermeisters durchaus hätte nachvollziehen können, seien nie ein Wesenszug von Max Mannheimer gewesen. »Ihm ging es nur um das ›Nie wieder‹.« Aus diesen Denkschablonen schon früh auszubrechen, selbst in der Öffentlichkeit aktiv zu werden, habe einer wesentlich höheren Anstrengung bedurft, erklärte Vogel.
normalität Max Mannheimer habe sich für eine Vertiefung der deutsch-israelischen Beziehungen eingebracht, sei für eine neue Normalität in Deutschland eingetreten und habe sich gleichzeitig unermüdlich eingesetzt, um das dunkelste Kapitel der Geschichte vor dem Vergessen zu bewahren.
Auf die Spuren, die Max Mannheimer durch sein stetiges Engagement in der Gesellschaft bis zum heutigen Tag hinterlassen hat, ging auch die IKG-Präsidentin in ihrer einfühlenden Rede vor der Festgesellschaft ein. Sie erinnerte sich auch noch ganz genau an ihre erste, weit zurückliegende Begegnung mit ihm: »Ich war sofort beseelt von seiner Aura, seiner Stärke, seiner Präsenz. Er verkörpert jene einzigartige Melange aus stets spürbarer Trauer und zugleich unverrückbarer Zuversicht, die nicht zuletzt in einer gewissen, fast spitzbübischen Verschmitztheit und einem sehr feinen Humor zum Ausdruck kommt.«
lebensmut Noch intensiver, so die IKG-Präsidentin, nehme man allerdings die schier unendliche Kraft wahr, den Lebensmut, den Max Mannheimer ausstrahle. »Diese Stärke«, sagte Charlotte Knobloch an ihn direkt gewandt, »ist spürbar. Aufgeben war für Dich niemals eine Option. Du hast Dich von den Nazis nicht brechen lassen, hast Dir Deinen Lebensmut nicht nehmen lassen – und vor allem hast Du Deine Fähigkeit, zu lieben und zu vertrauen, nicht verloren.«
Nach Ansicht der Präsidentin ist Max Mannheimer nicht nur eine tragende Stütze der Erinnerungskultur, er lebe auch gleichzeitig vor, wie der Weg weiter gegangen werden könne. Charlotte Knobloch: »Der Schlüssel ist und bleibt das Miteinanderreden. Wir dürfen nicht mit dem Versuch aufhören, einander zu verstehen.« Für dieses Rezept werbe Max Mannheimer »mit all seiner Kraft, all seiner Herzlichkeit, seinem Humor, aber auch mit seiner eindringlichen Bestimmtheit für dieses Rezept, für das Erreichen dieses Ziels.«