Oldenburg

Unter Freunden

Ein kräftiger Regenbogen wölbt sich zu Ende des Schabbats über Oldenburg. »Baruch Haschem«, sagt Sara-Ruth Schumann und nimmt ihn als gutes Omen für den nächsten Tag, an dem die Gemeinde ihr 20-jähriges Wiederbestehen feiert. Der Tag wird schön und sonnig. Auf wundersame Weise hat sich für die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg vieles in den vergangenen 20 Jahren gefügt.

Wie Michael Fürst, Wegbegleiter und Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, in seinem Grußwort zum Jubiläum am Sonntag sagen wird, auch auf sehr organisierte und bestimmte Weise. Diese Gemeinde wusste immer, was sie wollte. 1992 in der Galerie 42 in der Achternstraße gegründet, hatte sie eine strikte Idee: jüdisches Leben in der einstigen Residenzstadt wiederzubeleben, und zwar ohne Kompromisse.

Gründung Sie emanzipierte sich von der jüdischen Gruppe, in der auch Nichtjuden mitwirkten, und schlossen nichtjüdische Ehepartner von der Jüdischen Gemeinde, die man werden wollte, kategorisch aus. Juden aus zwölf Nationen unterzeichneten im August 1992 das Gründungsprotokoll: ein Chilene, eine Israelin, ein Österreicher waren darunter. Michael Daxner beschreibt es in seinem Festvortrag, wie die Gemeinde um ihre Identität mit sich, aber auch mit den zuständigen Institutionen gerungen hat.

Es war eine bunt gemischte Gruppe, die aus den verschiedensten Gründen eine Jüdische Gemeinde zu Oldenburg wiederbeleben wollte. Starthelfer waren dabei als Erstes der Kulturdezernent der Stadt, der jüdische Landesverband, namentlich sein Vorsitzender Michael Fürst, sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem anfangs noch sehr skeptischen Ignatz Bubis sel. A. an seiner Spitze. Henry G. Brandt, damals Landesrabbiner in Niedersachsen, gab seinen rabbinischen Segen.

Die Gemeinde fand 1995 in Bea Wyler die passende Rabbinerin. Wieder war das Ansinnen, sie anzustellen, umstritten. Sara-Ruth Schumann setzte sich durch. »Bea Wyler erzog uns zur Selbstständigkeit«, erzählt die Gemeindevorsitzende. »Wir haben in den ersten Jahren viel gelernt, das machte uns stark.« Und davon wissen auch die vielen Ehrengäste und Redner bei der Feier im Kulturzentrum PFL in Oldenburg am Sonntag zu berichten, unter ihnen Oberbürgermeister Gerd Schwandner, der Staatssekretär im Landeskultusministerium Stefan Porwol und Jürgen Trittin, der als zuständiger Minister Anfang der 90er-Jahre in Zusammenarbeit mit Fürst die Zuwanderung organisierte.

rechter Terror »Es war politisch eine schwere Zeit«, sagt Trittin. »Es war die Zeit des Pogroms in Hoyerswerda, die Zeit des Brandanschlages in Solingen.« Er selbst habe sich damals in die Schusslinie gebracht, als er sagte, Deutschland sei ein Einwanderungsland. »Das wollte man kurz nach dem Mauerfall nicht hören.«

Die jüdischen Gemeinden und auch Oldenburg aber profitierten von dem politischen Tauwetter, Zuwanderer kamen. Die Muttersprache von 90 Prozent der Oldenburger Gemeindemitglieder ist Russisch. Dass sie dennoch eine vitale jüdische Gemeinde mit Traditionsbewusstsein wurde, ist ihrer Vorsitzenden zu verdanken, werden an diesem Sonntagvormittag die Grußredner nicht müde zu betonen.

Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden, war vor 20 Jahren maßgeblich mit der Integration der russischsprachigen Zuwanderer betraut und weiß, welche enorme Herausforderung, aber auch welcher Gewinn darin lag. Und er begrüßt ausdrücklich, dass eine Gemeinde auch ihr 20-jähriges Bestehen feiert. »Bei uns Juden verläuft die Zeitrechnung etwas anders, rasanter und intensiver«, sagt Graumann. Dieser Tag sei daher nicht nur ein Versprechen, er sei ein Feiertag für alle Juden in Deutschland.

Die Art und Weise, wie die Gemeinde mit wenigen Mitteln das Beste aus ihrer Situation machte, nötigt auch an diesem Feiertag allen Würden- und Amtsträgern Respekt ab. Die Gemeinde konnte Rabbiner als hervorragende Lehrer – allen voran Bea Wyler und derzeit Alina Treiger – gewinnen. Sie hat eine Sonntagsschule aufgebaut, in der Eltern, Kinder und Großeltern zur selben Zeit in ansprechender Form unterrichtet werden, und sie hat im Leo-Trepp-Lehrhaus eine universitäre Anbindung gefunden, die ihresgleichen sucht.

ausstrahlung Ihre hohe Integrationsfähigkeit und Internationalität sei auch Vorbild für die Kommune gewesen, betont Oberbürgermeister Gerd Schwandner. Als Dankeschön überreichte er der Gemeindevorsitzenden eine Sammlung wertvoller israelischer Münzen. Der Staatssekretär im Kultusministerium Stefan Porwol bedauerte zwar, mit leeren Taschen und ohne Geschenke gekommen zu sein, dafür brachte er das Lob mit, dass Niedersachsen stolz auf die Gemeinde sei. »Sie ist eine sprechende Minorität, die auf die Stadt positiv ausstrahlt.«

Die Juden in Oldenburg führen ein freudig offenes Gemeindeleben. Wie sie sich engagieren, beweisen sie auch an diesem Tag. Nach der offiziellen Feier luden sie Festgäste und Oldenburger in Gemeindesaal und Synagoge zum Tag der Offenen Tür ein. Pünktlich um 15 Uhr strömen die ersten Oldenburger durch die frisch gestrichene Eingangspforte der Synagoge, um sich das Gotteshaus anzusehen und vom selbst gebackenen Kuchen zu kosten.

Dank »Baruch Haschem, ich hätte vielen zu danken, die zum Gelingen des Unternehmens jüdische Gemeinde beigetragen haben«, sagt Sara-Ruth Schumann, aber dass alles so gekommen ist, sei doch eher göttliche Fügung, meint sie. Etwa, dass gerade zu dem Zeitpunkt, als die Gemeinde sich zusammenfand und wuchs, die Klinik ihr Labor aufgab und die Gemeinde das Haus nutzen konnte und sie die richtigen Lehrer zur rechten Zeit bekamen. Und Fürst ergänzt augenzwinkernd, dass sie in ihrer Vorsitzenden eine diplomatische Frau hatte, die zwar mit »harter Hand« regiert, aber ein richtiges Händchen bewies. »Vor allem aber der Gemeinde selbst« sei der Erfolg zuzuschreiben.

»Ihr Geld ist bei uns gut angelegt«, sagt Schumann bei ihrer Begrüßungsrede. Und die Vertreter aus Bund, Land, Kommune und vom Zentralrat der Juden können sich davon überzeugen. »Ich bin tief beeindruckt«, sagt Dieter Graumann, der sich bei seinem Besuch auch gleich ins Goldene Buch der Stadt einträgt. Mit einem vertraulichen Du an die Gemeindesvorsitzende gerichtet, gibt er seiner tiefen Anerkennung ehrlichen Ausdruck.

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