Ungeachtet ihrer harschen Kritik an dem Auftritt des deutsch-französischen Publizisten und Historikers Alfred Grosser, will sich die Jüdische Gemeinde Frankfurt dessen Rede zur Pogromnacht 1938 am 9. November in der Paulskirche anhören. Grosser sei ein »angesehener und verdienstvoller Mann«, vertrete aber »in den letzten Jahren zunehmend Positionen, die für uns unannehmbar sind«, heißt es in einer Erklärung der Gemeinde vom Montag. »Zur Wahrung der Würde von Anlass und Ort« werde die Jüdische Gemeinde an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels (1975) wird dabei auf Einladung seiner Geburtsstadt sprechen.
Vergleich Der Unmut der Gemeinde und des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte sich an Grossers Israelkritik entzündet. Grosser vergleiche seit Jahren den Holocaust mit der heutigen Situation der palästinensischen Bevölkerung. Dies disqualifiziere ihn, kritisierte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer. Darüber hinaus habe Grosser den Schriftsteller Martin Walser verteidigt, als dieser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 die stete Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus als »Moralkeule« bezeichnet hatte. Kramers Forderung, Grosser als Redner auszuladen, werde die Stadt nicht nachkommen, sagt deren Pressesprecher Thomas Scheben. Grosser spreche als Zeitzeuge, von denen es nur noch wenige gebe, und als großer Europäer.
Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hält Alfred Grosser als Redner zum 9. November für deplatziert. Grosser habe zwar viel zur deutsch-französischen Verständigung beigetragen, sei jedoch in Sachen deutsch-jüdischer Dialog »nicht besonders in Erscheinung getreten«, sagte Brumlik.
Europäer Alfred Grosser wurde 1925 in Frankfurt geboren. 1933 flohen seine Eltern mit ihm nach Frankreich. 1937 erhielt Grosser die französische Staatsbürgerschaft und engagierte sich nach dem Krieg für die deutsch-französische Verständigung. 2007 kritisierte er die Vergabe des Börne-Preises an den Focus-Verleger Helmut Markwort und den Spiegel-Autor Henryk M. Broder. Beide seien des Preises unwürdig.