Größen aus dem Kulturleben wie Doris Dörrie, Luise Kinseher und Gerhard Polt gehören zum erlesenen Kreis jener Persönlichkeiten, die die Stadt München im Lauf der vergangenen vier Jahrzehnte mit dem angesehenen Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet hat. Die Verleihung des diesjährigen Preises an den Karikaturisten Dieter Hanitzsch stößt jedoch auf Kritik.
Stein des Anstoßes ist eine seiner Karikaturen, die vor gut einem halben Jahr in der »Süddeutschen Zeitung« veröffentlicht wurde, eine heftige Antisemitismusdebatte auslöste und letztendlich zur Trennung der Zeitung von Hanitzsch führte. Die äußerst umstrittene Zeichnung zeigt den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu im Outfit der Gewinnerin des Eurovision Song Contest, Netta Barzilai. In der Hand hält er eine Rakete mit einem Davidstern.
stereotype An »eindeutigen antisemitischen Stereotypen« in der Karikatur hat auch Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle keine Zweifel. Dies sei inakzeptabel und mache Hanitzsch zu keinem geeigneten Preisträger, erklärte er gegenüber den Medien. Der frühere Kultusminister erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Bedeutung des Ernst-Hoferichter-Preises, der für Weltoffenheit und Humor stehe.
Stein des Anstoßes ist eine Karikatur, die in der »Süddeutschen Zeitung« veröffentlicht wurde.
Kritik übte Spaenle ferner daran, dass sich der 85-jährige Karikaturist nicht von der umstrittenen Zeichnung distanziert habe. Hanitzsch selbst hält einen solchen Schritt nicht für notwendig, weil die Karikatur seiner Auffassung nach nicht antisemitisch ist.
Die mit dem Preis verbundenen Werte hat Dieter Hanitzsch auch nach Überzeugung von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, nicht befördert, sondern vielmehr beschädigt. Die Auszeichnung sei »mehr als befremdlich« und »völlig unangemessen«. Erklärtes Ziel des Preises sei es, Künstler und Autoren zu fördern, die Originalität mit Weltoffenheit und Humor verbinden. »Hanitzschs Karikatur der Sängerin Netta vom vergangenen Jahr aber«, so Knobloch, »ist eine offene Absage an alle diese Werte.«
Die Karikatur führe nach ihrer Einschätzung mehrere Motive des klassischen Antisemitismus zusammen und überschreite damit eine klare Grenze. »Mich persönlich«, betonte die IKG-Präsidentin und Holocaust-Überlebende, »hat die Karikatur an Machwerke des ›Stürmer‹ erinnert.«
antisemitismus In ihre Kritik bezog die IKG-Präsidentin auch Münchens Kulturreferenten Hans-Georg Küppers mit ein, der als Vorsitzender der Hoferichter-Stiftung die Ernennung Hanitzschs zum diesjährigen Preisträger forciert hatte. Küppers selbst hält Zweifel an dieser Entscheidung für unangebracht. Gegenüber Medien sagte er, selbst wenn die Karikatur nicht zu den gelungensten Arbeiten von Hanitzsch gehöre, sei der Vorwurf des Antisemitismus mit Blick auf sein Lebenswerk unhaltbar. Auf Mitglieder der jüdischen Gemeinde muss diese Aussage durchaus irritierend wirken. Schließlich wurde nicht das gesamte Lebenswerk des Karikaturisten infrage gestellt, sondern lediglich diese eine Karikatur.
Kritik an der Kritik übte auch Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude, der ebenfalls dem Stiftungsrat angehört und bei der Verleihung des Preises am Donnerstag die Laudatio hält. Er sprach von einer gezielten Diskreditierung des Karikaturisten. Ude teilt zwar offensichtlich die Meinung, dass die Netanjahu-Karikatur nicht gelungen sei, vertritt aber die Ansicht, dass sie keine antisemitischen Züge trage. Mit IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch hat der frühere Münchner Oberbürgermeister nach eigenen Angaben bereits ein Gespräch geführt und glaubt, dass es keine unüberbrückbaren Differenzen gebe.
verteidigung Dieter Hanitzsch selbst fühlt sich zu Unrecht kritisiert und sieht daher auch keinen Grund, sich zu verteidigen, wie er verschiedenen Tageszeitungen gegenüber erklärte. »Die Karikatur«, wird er zitiert, »ist nicht antisemitisch.« Er sei sich keiner Schuld bewusst und bereue nichts. Im Übrigen, so Hanitzsch, lasse er sich die Freude über diese Auszeichnung durch seine Heimatstadt München nicht verderben.
Der Münchner Autorin Christine Wunnicke, die den Preis ebenfalls erhalten sollte, ist die Freude jedoch bereits vergangen. Sie wird die Auszeichnung nicht entgegennehmen. In einem Brief an die Beiräte der Hoferichter-Stiftung begründete sie ihren Schritt damit, dass sie sich nicht für »eine kritikresistente Solidaritätsveranstaltung« vereinnahmen lassen wolle.